Kolumne # 694 vom 12.04.2014: Verschwiegene Kämpfe
12.04.14 (von maj) Geschichte der Arbeiterbewegung wird Kindern vorenthalten, um Klassenbewußtsein zu unterdrücken
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 87 – 12./13. April 2014
Als ich diesen Beitrag für die Versammlung der Gewerkschaftsgruppe Local 372 der Beschäftigten im Bildungswesen von New York schrieb, gingen mir Tausende Gedanken durch den Kopf. Ich fragte mich, was eure Kinder oder bei einigen von euch eure Enkelkinder eigentlich über eure Arbeit und eure Gewerkschaft wissen. Wissen sie zumindest in groben Zügen etwas über die Geschichte, wie Arbeiter früher gelitten haben und wie lange sie für die 40-Stunden-Woche kämpfen mußten? Oder für höhere Löhne, Tarifverträge, Krankenversicherung und ihre Altersversorgung?
Leider ist davon auszugehen, daß die meisten Kinder, die das öffentliche Schulsystem durchlaufen, von alledem nichts wissen. Wie sollten sie auch, wenn sie in sinnlosen und quälenden Dauertests untergehen? Da bleibt keine Zeit für diese wichtigen Fragen. Die sind aber aktuell und alles andere als nur eine Auseinandersetzung mit alten Zeiten. Aber wenn man diese Fragen heute aufwirft, kommt man sich so vor, als wollte man etwas über den Trojanischen Krieg wissen.
Eure Kinder wissen einfach nichts über Fragen der Arbeitswelt und gewerkschaftlicher Organisierung, weil darüber im Unterricht nicht gesprochen wird. Es wird nicht als wichtig genug angesehen, darüber etwas zu lernen, und die Arbeiterbewegung hat nicht die gesellschaftliche Macht, es auf die Lehrpläne zu setzen. Die Herren des Kapitals indes stellen sicher, daß dieses Wissen nur bloß nicht zur Jugend durchdringt, weil das ja das Klassenbewußtsein stärken könnte.
Schlimmer noch, die Kinder erwerben sogar ein falsches Bewußtsein, das ihnen von den Konzernmedien eingetrichtert wird, um ihre Gedanken um Dinge und nicht um Menschen kreisen zu lassen. Man kann das auch »verblendetes Bewußtsein« nennen. Dazu gehört, daß Gewerkschaften verunglimpft werden, obwohl sie für die Arbeiterklasse einen immens wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten.
Vor mehr als 100 Jahren strebte in vielen Städten der USA eine mächtige Arbeiterbewegung, die »Industrial Workers of the World« (IWW), auch »Wobblies« genannt, danach, alle Arbeiter in einer starken Gewerkschaft zu vereinigen. Gemeinsam mit der Konzernpresse entfesselten die Kapitalisten in den USA einen Propagandakrieg gegen die IWW, auf den während und nach dem Ersten Weltkrieg eine gezielte Kampagne staatlicher Repression folgte und die »Wobblies« von der Bühne der Geschichte vertrieb. Heute sind sie fast vergessen, aber stellt euch vor, welche Welt sie hätten schaffen können – eine Welt, in der Menschen vereint sind über alle sozialen und nationalen Spaltungen hinweg. Zu welch großer gesellschaftlicher Kraft hätten sie werden können!
Gewerkschafter können nicht tatenlos zusehen wie Priester, die beten, während Rom in Flammen steht. Sie müssen mit beiden Beinen im Leben stehen und für soziale Gerechtigkeit kämpfen – im Hier und Jetzt. Sie müssen gegen diesen Staat kämpfen, der sein Gefängnissystem ständig ausbaut und die Zukunft unserer Kinder zerstört. Das ist der Kampf, der vor uns liegt.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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