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Kolumne # 731 vom 22.12.2014: »Wir kriegen keine Luft mehr!«

22.12.14 (von maj) In den USA skandiert eine Generation, die bisher geschwiegen hat, aus Tausenden und Abertausenden Mündern »We can’t breath!« – »Wir kriegen keine Luft mehr!«

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 296 vom 22. Dezember 2014: Bitte HIER klicken!


»Wir kriegen keine Luft mehr!«
Überall in den USA werden Stimmen des Protests laut, Stimmen von Männern, Frauen und sogar von Kindern, Stimmen der Wut und der Hoffnung, Stimmen tiefempfundener Unzufriedenheit. Diese Stimmen, so sehr von Schmerz geplagt wie eindringlich, sind Stimmen einer Generation, die bislang in der Öffentlichkeit weitestgehend geschwiegen hat. Was diese Generation zu sagen hat, brachten eher ihre Dichter und Rappmusiker zu Gehör – wenn auch beeinflusst von kommerziellen Interessen – die gerechten Zorn in coole Reime verpacken. Kunst eben, die kein Abbild des realen Lebens ist, sondern in dieser Gesellschaft einen Weg nimmt, der kaum ihrer ursprünglichen Absicht entspricht.
Aber jetzt skandiert diese Generation aus Tausenden und Abertausenden Mündern »We can’t breath!« – »Wir kriegen keine Luft mehr!« und macht damit wieder und wieder die grausame Wahrheit über die letzten Worte Eric Garners öffentlich, der im Würgegriff eines weißen Polizisten erstickte, obwohl er mehrfach genau das sagte: »Ich kriege keine Luft mehr!« Wenn die Worte jetzt auf Demonstrationen gerufen werden, dann ist dabei das »Wir« äußerst aufschlussreich, weil sich in ihm das kollektive Bewusstsein zeigt: »Wir« kriegen keine Luft mehr!

Warum nicht? Weil im reichsten Land der Welt Armut herrscht, die Menschen dazu zwingt, an der Straßenecke für ein paar Pennys zu betteln, um trotz aller Hoffnungslosigkeit irgendwie über die Runden zu kommen. Denn die Gewährleistung einfachster Bildung übersteigt schon die Fähigkeit dieses neoliberalen Staates. Die staatlichen Schulen bereiten unsere Kinder bestenfalls auf eine Zukunft im Gefängnis vor, wo sie Hass und Erniedrigung erwarten und nicht Wissen und Bildung, wie sie unter dem aberwitzigen Motto des von George W. Bush geschaffenen Gesetzes »No Child Left Behind« (»Kein Kind wird zurückgelassen«) versprochen werden.
Für viel zu viele Kinder ist der Begriff »Kindheit« ein Fremdwort, wie der Fall von Tamir Rice zeigt. Dieser 12jährige afroamerikanische Junge aus Cleveland, Ohio, hatte nichts anderes getan als das, was Jungen seit hundert Jahren tun: Er hatte in einer Freizeitanlage mit einer Spielzeugpistole gespielt. Das war sein Todesurteil, weil die von einem Nachbarn herbeigerufenen Polizisten aus ihrem Streifenwagen sprangen und das Kind in der nächsten Sekunde wortlos erschossen, wie ein Video zeigt. Diese Kinder haben keine Chance, weil sie in einer feindlichen Umwelt aufwachsen, in der jeder Schutzinstinkt ausgeschaltet ist. Dieser jungen Generation zeigt sich ihre Zukunft am Horizont so verheißungsvoll wie eine kalte Mondlandschaft. Deswegen ziehen sie jetzt gemeinsam durch die Straßen und rufen aus vollem Hals »Wir kriegen keine Luft mehr!« Aber sie werden nicht erhört, weil der neoliberale Staat vollauf damit beschäftigt ist, sie im tödlichen Würgegriff zu halten.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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