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Kolumne # 744 vom 23.03.2015: Im Schuldenturm

23.03.15 (von maj) Die Polizei von Ferguson, Missouri, machte mit Richtern und Politikern gemeinsame Sache und plünderte die afroamerikanische Bevölkerung aus, indem sie von ihnen willkürlich Geldbußen und hohe Verwaltungsgebühren eintrieb

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 69 vom 23. März 2015: Bitte HIER klicken!

Im Schuldenturm
Der Anfang März veröffentlichte Untersuchungsbericht des US-Justizministeriums zum Mord an Michael Brown in Ferguson, Missouri, sowie zur Praxis und zu Verhaltensmustern der dortigen Polizeibehörde hat tagelang zu heftigen Reaktionen in den Medien geführt. Grund war das vernichtende Urteil des Berichts über die endlose Kette brutaler und grausamer Misshandlungen von Schwarzen und das gegen sie gerichtete massenhafte Profiling der Polizei in dieser Kleinstadt, das sie praktisch zu Freiwild macht.
Schlimmer noch war jedoch, wie die lokale Polizei mit Richtern und Politikern gemeinsame Sache machte und die afroamerikanische Bevölkerung ausplünderte. Indem sie von ihnen Geldbußen und hohe Verwaltungsgebühren eintrieb, stürzte sie viele noch tiefer in die Armut. In der Summe machten die Einnahmen aus diesen Strafzahlungen zuletzt 25 Prozent des Gesamtbudgets des Kreises St. Louis aus, zu dem die Gemeinde Ferguson gehört.
Zu Recht sind Polizeibeamte für ihre dämlichen E-Mails und Aktennotizen mit rassistischem Inhalt zur Verantwortung gezogen worden. Denn sie haben damit ihre Missachtung gegenüber schwarzen Bürgern der Stadt und selbst führenden afroamerikanischen Politikern in Washington D. C. zum Ausdruck gebracht.
Weitestgehendes Schweigen herrscht indes über die Rolle der Richter. Sie pressten unter dem Schutz ihrer Robe mit unfairen Geldstrafen und Gebühren Geld aus Bürgern; steckten sie ins Gefängnis wie in einen Schuldenturm, wenn sie nicht in der Lage waren, die ihnen willkürlich auferlegten Strafgelder und Gebühren zu zahlen.
Im Jahr 1869, als Königin Victoria noch über England herrschte, wurde mit dem »Debtors Act« ein Gesetz zum Schutz von Schuldnern erlassen. Es verbot ein für allemal, Menschen nur deshalb zu bestrafen und einzusperren, weil sie Schulden haben.
Im heutigen Missouri jedoch werden die Armen dafür immer noch bestraft und weiter ausgepresst. Es sei erwähnt, dass das nicht nur in Missouri so ist. Matt Taibbi, der bekannte Autor der Zeitschrift Rolling Stone, erzählt in seinem 2014 erschienenen Buch »The Divide« (»Die Spaltung«) eine ähnliche Geschichte: Auch in Brooklyn, Bedford-Stuyvesant, Gainesville, Georgia, Los Angeles, San Diego und anderswo werden Menschen, die zu den Ärmsten gehören, von Polizisten, Richtern und Stadtverwaltungen bis auf ihren letzten Cent ausgepresst, um mit den Einnahmen ein System am Laufen zu halten, das bis ins Mark korrupt ist.
Der vollständige Titel von Taibbis Buch trifft den Nagel auf den Kopf: »The Divide: American Injustice in the Age of the Wealth Gap« (etwa: »Die Spaltung: Amerikanische Ungerechtigkeit im Zeitalter des Wohlstandsgefälles«). Die Ungerechtigkeit hat System. Es geht um Ausbeutung und Raub. Und das System hat einen Namen: Kapitalismus.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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