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Kolumne # 778 vom 16. November 2015: Gesetzlose in Uniform

16.11.15 (von maj) In den USA herrscht eine Polizeisoldateska, die sich nicht an Recht und Gesetz gebunden fühlt. Neueste Berichte über sexuelle Übergriffe sind nur die Spitze des Eisbergs von Verbrechen der sogenannten Ordnungshüter

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 266 vom 16. November 2015: Bitte HIER klicken!

Gesetzlose in Uniform
Unabhängig davon, aus welchen Medien wir unsere Informationen beziehen, dauert es in der Regel nicht lange, bis wir auf eine Meldung stoßen, in der ein Loblied auf die Polizei gesungen wird: Da rettet ein Polizist einen Mann aus einem brennenden Auto. Ein anderer führt eine alte Dame sicher über die Straße. Diese Art von Geschichten sondert die Medienmaschinerie routinemäßig ab. Als jedoch die Presseagentur Associated Press (AP) kürzlich einen Exklusivbericht verbreitete, der von US-Polizisten handelte, denen Hunderte Akte von sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung, Sodomie und gezielter sexueller Belästigung von Kindern vorgeworfen wurden, herrschte eine ohrenbetäubende Stille im Land.
An die tausend Cops vom Hilfssheriff bis zum sogenannten School Resource Officer (SRO), der an einer Schule stationiert ist, haben die genannten Delikte begangen. Dass ausgerechnet Polizisten sich sexueller Übergriffe gegenüber Frauen, Kindern und Männer schuldig gemacht haben, ist, gelinde gesagt, zutiefst schockierend.
Die ausführliche AP-Reportage, die eine komplette Seite der in Scranton, Pennsylvania, erscheinenden Sunday Times füllte, enthielt unter anderem die erschreckende Schilderung einer etwa 50jährigen Frau. Eines Abends hatte sie mit Freunden zusammen Domino gespielt und befand sich mit ihrem Auto auf dem Heimweg, als plötzlich ein Streifenwagen des Oklahoma Police Departments hinter ihr auftauchte und sie zum Anhalten aufforderte. Sie fuhr also rechts ran. Der Polizist ließ sie aussteigen und tastete sie »zu seiner eigenen Sicherheit« körperlich ab. Dann schob er ihre Bluse hoch, zog ihr die Hose herunter und setzte die »Leibesvisitation« fort. Natürlich war die Frau unbewaffnet. Anschließend ließ er die Frau in den Streifenwagen einsteigen und zwang sie zum Oralsex. Dabei schnauzte er sie an: »Los, nun mach’ schon, ich hab nicht die ganze Nacht Zeit!«
Die Recherche von AP förderte Hunderte solcher Fälle in insgesamt 44 US-Bundesstaaten zutage. Dabei stießen die beiden Journalisten Matt Sedensky und Nomaan Merchant sogar auf Fälle von Schülerinnen, die von SRO-Polizisten an ihrer Schule belästigt wurden. Oder sie berichteten von Polizeipraktikantinnen im Teenageralter, die von ihren Anleitern im Dienst sexuell belästigt und vergewaltigt wurden.
Diese Reportage ist schockierend und widerlich zugleich. Sie zeigt uns das verkommene Verhalten von Polizisten, die außer Rand und Band geraten sind. Sie »dienen und beschützen« nur sich selbst und behandeln jene Menschen wie Dreck, die sie eigentlich beschützen sollen und aus deren Steuergeldern ihre Gehälter finanziert werden.
Wer von diesen Zuständen weder in seiner Lokalzeitung gelesen noch im Radio gehört oder in den lokalen oder überregionalen Fernsehnachrichten gesehen hat, dem macht der AP-Bericht klar, dass er bislang über den wahren Charakter der US-Polizei nur sehr schlecht informiert wurde. Denn was diese Truppe macht, hat nichts mehr mit »Recht und Ordnung« zu tun.
Diese Polizisten sind vielmehr Gesetzlose, die sich nur als »Friedensstifter« maskieren, in Wahrheit aber nichts als Unordnung schaffen. Sie stehen für die »Rape culture« in den USA, ein Milieu, in dem sexuelle Gewalt verharmlost und toleriert wird. Sie stehen für eine im Stillen und Verborgenen ausgeübte Gewalt gegen Schwächere, Jüngere, Wehr- und Machtlose. Die Vereinigten Staaten von Amerika befinden sich zu Beginn des neuen Jahrhunderts fest im Griff einer durchgedrehten Polizeisoldateska.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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