Kolumne # 780 vom 30.11.2015 - Kolumne für Mumia von Kerry Marshall: Gesinnungskontrolle
30.11.15 (von maj) Kerry »Shakaboona« Marshall (45) wurde als Jugendlicher zu lebenslanger Haft ohne Bewährung verurteilt. Im Staatsgefängnis Rockview in Bellefonte, Pennsylvania, kämpft er seit über 25 Jahren um eine Revision seines Strafurteils, und politisch tritt er mit der Zeitschrift The Movement (http://hrcoalition.org) für die generelle Abschaffung lebenslanger Haft für Minderjährige ein.
Link zum Artikel in junge Welt Nr. 277 vom 30. November 2015: Bitte HIER klicken!
Gesinnungskontrolle
Von Kerry Marshall
Überall in den USA gibt es Gefängnisbehörden wie das »California Department of Corrections and Rehabilitation« (CDCR) und das »Pennsylvania Department of Corrections« (PADOC), die sich als staatliche »Gedankenpolizei« verstehen. Sie versuchen, das Denken und Handeln der Häftlinge zu kontrollieren, indem sie öffentlich zugängliche Literatur einer Zensur unterwerfen. Das betrifft ein breites Spektrum linker und sozialistischer Themen, Abhandlungen über afrikanische oder islamische Religionen sowie über afrikanische und hispanische Geschichte und Kultur. Als »ethnisch« und »unamerikanisch« eingestufte Literatur wird verboten, weil sie den Knastzensoren als »Bedrohung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt« gilt.
Hat ein Gefangener in Kalifornien beispielsweise ein Foto von Malcolm X oder des Bürgerrechtlers César Estrada Chávez (der zusammen mit Dolores Huerta die US-Landarbeitergewerkschaft »United Farm Workers« gründete, jW) in seiner Zelle, besitzt er Bücher über afrikanische und mexikanische Geschichte oder politische Schriften über linke und sozialistische Themen, lässt das CDCR sie als »eingeschmuggelte Gegenstände« beschlagnahmen. Sie können dann als Beweis für die Zugehörigkeit des Häftlings zu einer Knastgang benutzt werden. Solche Häftlinge werden als Mitglieder einer »Security Threat Group« (»Sicherheitsgefährdende Gruppe«) eingestuft. Das Kürzel »STG« in der Akte ist gleichbedeutend mit dem Stempel »Gangmitgliedschaft« und hat die Verlegung in unbegrenzte Isolationshaft zur Folge.
Die in den vergangenen Jahren von Gefangenen im Hochsicherheitsgefängnis »Pelican Bay« initiierten und von isolierten Gefangenen im gesamten kalifornischen Gefängnissystem aufgegriffenen Hungerstreiks haben zu verschärfter Postzensur und einer rigiden Besuchsüberwachung sowie der Beschränkung von Telefonanrufen bei Angehörigen, Menschenrechtsgruppen und Medien geführt. Damit sollen vor allem jene Gefangenen zum Schweigen gebracht werden, die der Weltöffentlichkeit die Wahrheit über die Zustände in den Folterkammern des CDCR mitteilen könnten.
In Pennsylvania hat das PADOC einen 5.000 Seiten umfassenden »Katalog verbotener Bücher« angelegt, die in ihrem Titel Begriffe wie »afrikanisch«, »schwarz« oder »Islam« aufweisen. Selbst von Schwarzen verfasste Romane über das »Leben auf den Straßen der Großstädte« und Zeitschriften mit vergleichbaren Inhalten werden auf den Index gesetzt. Bücher über afroamerikanische Geschichte wie die 1965 erschienene Autobiographie von Malcolm X, das 1933 von Carter G. Woodson geschriebene »The Mis-Education of the Negro«, der im Jahr 2000 herausgegebene Fotoband »Without Sanctuary« über Lynchmorde in den USA und das von W. E. B. Du Bois 1903 erstveröffentlichte Standardwerk »The Souls of Black Folk« stehen auf dem Index und dürfen nicht von Gefangenen gelesen werden. Genauso wurden viele linke Zeitschriften in den Verbotskatalog des PADOC aufgenommen, allen voran das Menschenrechtsmagazin The Movement und alle Bücher, die der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal verfasst hat.
Im 19. Jahrhundert hat das US-Plantagensystem die afrikanischen Sklaven mit allen Mitteln daran zu hindern versucht, sich Bildung anzueignen und politisches Bewusstsein zu entwickeln. Heute versucht das US-Gefängnissystem, das auf einer modernen Form der Sklavenarbeit beruht, das gleiche mit den massenhaft eingesperrten Frauen und Männern zu tun. Denn in den Augen der Verantwortlichen dieses unmenschlichen Gefängnisregimes ist ein gebildeter Häftling zunächst und vor allem ein hochgefährlicher Häftling.
Übersetzung: Jürgen Heiser
|
|
|
Nächste Termine |
|
Keine Termine bekannt.
|
|
Login |
|
|
|
|
|