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Kolumne # 834 vom 12.12.2016: Beweise zählen nicht

12.12.16 (von maj) Schwarze Leben zählen selbst dann noch nichts, wenn ihre Miss­achtung mit Videoaufnahmen belegt wird / Nachtrag: jW-Kolumnist Abu-Jamal seit 35 Jahren in Haft

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 287 vom 12. Dezember 2016: Bitte HIER klicken!

Beweise zählen nicht
Der Prozess gegen den Killercop, der den unbewaffneten Schwarzen Walter Scott erschossen hat, ist am 5. Dezember ergebnislos zu Ende gegangen. Die Geschworenen konnten sich nicht auf ein einheitliches Urteil einigen, trotz des Handyvideos, das von einem Zeugen aufgenommen wurde und zeigt, wie Scott umgebracht wird. Wenn das nicht schon schockierend genug ist, dann ist es auf jeden Fall die Unfähigkeit der Jury, Scotts Mörder zur Rechenschaft zu ziehen.
Beim Betrachten der Bilder des Videos gefriert einem das Blut in den Adern. Zu sehen ist, wie ein Schwarzer mittleren Alters in heilloser Flucht vor einem jüngeren weißen Mann in Uniform davonläuft. Der Afroamerikaner scheint nicht geübt darin, schnell zu rennen, aber dennoch flieht er in einem Park vor dem Weißen, der stehenbleibt, seelenruhig seinen Revolver zieht, auf Scott zielt und feuert. Es folgt Schuss auf Schuss auf Schuss – insgesamt achtmal. Der Schwarze in seinem leuchtend grünen Hemd wird mehrfach in den Rücken getroffen, fällt und stirbt. Der weiße Polizist greift nach einem am Boden liegenden schwarzen Gegenstand mit Drähten und hebt ihn auf. Es ist seine Taserwaffe, die er zuvor auf Scott abgefeuert hatte und die dabei heruntergefallen war. Dann ruft er über Funk Unterstützung, nähert sich langsam seinem Opfer und legt seinen Taser neben den Sterbenden. Später wird der Polizist aussagen, Scott habe versucht, ihm die Elektroschockwaffe aus der Hand zu reißen.
Der Mord ereignete sich am 4. April 2015 in North Charleston im US-Bundesstaat South Carolina, nachdem der Polizist Michael Sager (33) den Autofahrer Walter Scott (50) wegen eines defekten Bremslichts in einer Verkehrskontrolle angehalten hatte. Dass es Mord war, dafür war das Video im Prozess aber angeblich nicht Beweis genug, zumindest für einen der Geschworenen, der sich weigerte, den inzwischen aus dem Polizeidienst entlassenen Sager der Tat schuldig zu sprechen.
Das Video, das den Mord an Scott zeigt, wurde so zum Beweis dafür – wenn es eines solchen Beweises überhaupt noch bedurfte –, dass in den USA schwarze Leben nicht zählen, auch nicht für Geschworene in einem Mordprozess.
Videoaufnahmen zählen nicht, wenn darin zu sehen ist, wie ein Schwarzer von einem weißen Polizisten umgebracht wird. Erinnert sei an Delbert Africa, Mitglied der »Move«-Organisation in Philadelphia, der, unbewaffnet und wehrlos bei seiner Verhaftung 1978 am Boden liegend, von mehreren weißen Cops mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert wurde. Ein weißer Richter ließ das Polizeivideo nicht als Beweismittel für die Misshandlungen zu und verwarf die Anklage gegen die drei weißen Polizisten. Auch die Filmaufnahmen der Prügelorgie von weißen Beamten des »Los Angeles Police Departments« (LAPD) gegen den schwarzen Taxifahrer Rodney King, die sich 1991 ereignet hat, wurde von einer fast ausschließlich aus Weißen bestehenden Jury als Beweis ignoriert, die Polizisten wurden freigesprochen.
Die Bewegung »Black Lives Matter« existiert – weil schwarze Leben selbst dann noch nichts zählen, wenn ihre Miss­achtung mit Videoaufnahmen belegt wird.

Übersetzung: Jürgen Heiser

9. Dezember 2016: Mumia Abu-Jamal seit 35 in Haft
Am 9. Dezember jährte sich zum 35. Mal die Verhaftung des jW-Kolumnisten und ehemaligen Black Panthers Abu-Jamal wegen angeblichen Polizistenmordes. In Wahrheit wollte er seinem jüngeren Bruder Bill in jener Dezembernacht des Jahres 1981 zu Hilfe eilen, als dieser von einem weißen Polizisten misshandelt wurde. Abu-Jamal wurde von dem Beamten niedergeschossen, der danach durch die Kugel eines Dritten starb. Videoaufnahmen waren damals noch nicht üblich, weil es keine Handys gab. Die US-Justiz konnte deshalb 1982 die einfache Rechnung aufmachen: »Widerstand eines Ex-Panthers gegen die weiße Staatsmacht gleich Todesstrafe.« Erst 2010 brachte die gute juristische Arbeit von Abu-Jamals Wahlverteidigern im Schulterschluss mit einer seit Jahrzehnten beharrlichen internationalen Solidaritätsbewegung dieses Schandurteil zu Fall. Seitdem kämpft der linke Journalist aus der Gefängniszelle gegen den »Slow death«, den langsamen Tod lebenslanger Haft, und seit zwei Jahren zusätzlich gegen die staatlich gewollte Nichtbehandlung seiner Hepatitis-C-Erkrankung. 16 Jahre werden es dieser Tage sein, dass die Kolumnen Abu-Jamals Woche für Woche in der jW erscheinen. (jh)

 
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