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Kolumne 1.031 vom 19.10.2020: Geister der Vergangenheit

19.10.20 (von maj) Über die US-Präsidentschaftswahlen in Zeiten von Trump und der von ihm geleugneten Coronapandemie

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 244 vom 19. Oktober 2020: Bitte HIER klicken!

Geister der Vergangenheit
Je mehr sich die Vereinigten Staaten von Amerika auf gewundenen Wegen dem Präsidentschaftswahltermin 3. November nähern, desto mehr wird das Land von Gefühlen der Unruhe beherrscht. In der Bevölkerung ist ein Hang zu erhöhter Vorsicht zu spüren. Und für viele liegt über allem ein bedrückender Schatten der Angst, der von einer protofaschistischen Regierung ausgeht. Einer Regierung, die von physischer und geistiger Krankheit durchsetzt ist. Was nicht nur eine Folge der Coronaviruspandemie ist, sondern des allgegenwärtigen Unbehagens, des Unwohlseins, das jeden Menschen überkommt, der noch einigermaßen bei Verstand ist.

Den Geist eines und einer jeden belastet heute ein ungeheures Gewicht, »wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden«. So hat es Karl Marx schon vor fast 170 Jahren in seinem Werk »Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte« ausgedrückt: »Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszenen aufzuführen« (zitiert nach Marx-Engels-Werke Bd. 8, S. 115).

So wie in den heutigen Vereinigten Staaten, die unter der Parole »Make America great again« auch von den Geistern der Vergangenheit bestimmt werden, muss sich ein aufkommender Faschismus anfühlen, ein tiefes, nagendes Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, ein alles durchdringender Geruch von Korruption, geboren aus der Vetternwirtschaft des Kapitalismus. Einer Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der jedes Ding und jedes Lebewesen einen Preis hat und die den Gestank der Fäulnis verbreitet.

Wer hätte gedacht, wer hätte je wirklich gedacht, dass etwas so schnell zusammenbrechen und Hunderttausende Menschen so schnell zugrunde gehen könnten, während der Staat in völliger Ohnmacht daneben steht? Das ist der Zustand des US-amerikanischen Imperiums im Jahr 2020, eines Imperiums, das dem freien Fall entgegentaumelt.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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