Kolumne vom 22.02.03: Die Welt als Spielball
24.02.03 (von maj) Haben sich die USA durch einen »Unfall« in ein Imperium verwandelt?
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 45, 22./23. Februar 2003
»Das Verhalten der USA stellt eine Bedrohung des Weltfriedens dar.«
Dr. Nelson Mandela
Überall in den USA finden derzeit Demonstrationen gegen den drohenden Irak-Krieg statt, von Iowa bis Indiana, von Minneapolis bis Maine. Auch die Straßen von Paris, London und Berlin wurden vergangene Woche von demonstrierenden Menschen überschwemmt. Ebenso hat die islamische Welt ihren Protest in die Öffentlichkeit getragen. Die Welt reagiert mit ihrem um sich greifenden Widerstand auf das chauvinistische und kriegslüsterne Säbelrasseln des Bush-Regimes. Doch gleichzeitig beschleicht einen das Gefühl, daß all diese Proteste nicht ausreichen werden, um der Bush-Regierung wirksam in den Arm zu fallen, während sie dabei ist, ungeachtet der dramatischen Folgen für die dortige Bevölkerung zum tödlichen Schlag gegen Irak auszuholen.
Das führt zu der interessanten Frage, wie eine Regierung, die den Willen der Mehrheit ihrer Bürgerinnen und Bürger ignoriert, »demokratisch« genannt werden kann. Wenn das Weiße Haus nicht auf den erklärten Willen der Bevölkerung hört, auf wen hört es dann noch? Wer entscheidet? Folgt die Regierung den Wünschen der Rüstungsindustrie, der Ölkonzerne und des militärisch-industriellen Komplexes, in dem sich unermeßlicher Reichtum und Macht zu einer Kraft verbinden, die immer wieder Kriege entfesselt? Die Antwort auf diese Frage werden wir möglicherweise schon bald kennen.
Der kürzlich vollzogene Abschied von Frankreich und Deutschland aus dem Club der Kriegswilligen hat zu einem Riß in der »Koalition gegen Saddam« geführt. Doch kaum hatten sich diese beiden europäischen Mächte deutlich von ihrem Verbündeten abgesetzt, verbreitete sich Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schon auf beleidigende Weise darüber, Paris und Berlin repräsentierten nur das »alte« Europa und die USA seien nicht wirklich auf sie angewiesen, sondern griffen lieber auf das »neue« Europa zurück, nämlich künftige Nato-Mitglieder wie Polen und Tschechien. Fast scheint es einem, als könnten imperiale Herrscher genauso launenhaft reagieren wie Teenager.
Trotzdem bleibt die Frage: Wie sind wir an diesen Punkt gekommen? Was hat ein Land, das mit seinen »demokratischen Prinzipien« prahlt, zur vorherrschenden imperialistischen Macht in der Welt werden lassen? Vor allem: wer hat darüber abgestimmt?
Ein kürzlich in der Washington Post erschienener Artikel erweckt den Anschein, als seien die USA durch einen »Unfall« zu einem Imperium geworden. Zitiert wird ein altgedienter Vertreter des Bush-Regimes, der die USA in Schutz nimmt und davon spricht, sie spielten »fast so etwas wie eine imperiale Rolle« in der Welt. Dem sei die schlichte Feststellung entgegengehalten: Es gibt keine vergleichbare Macht. Punkt. Mit dem Artikel wird der Eindruck vermittelt, als sei diese Rolle die unvermeidliche Folge der Tragödie des 11. September 2001 gewesen, so als müßten die USA widerwillig diese schreckliche Last akzeptieren, weil nur sie allein stark genug sind, diese Rolle auszufüllen. Das ist eine Fehlinterpretation der Geschichte der letzten fünfzig Jahre. Man denke nur an Vietnam oder die sogenannte »Domino-Theorie«. Wie viele Millionen Menschen rund um den Erdball sind in den Abgrund dieses imperialistischen Alptraums hineingezogen worden?
Es wäre zu einfach und ebenfalls eine Fehlinterpretation, den ganzen Wahnsinn dieser Tage dem amtierenden Präsidenten in die Schuhe zu schieben. Die imperialistischen Parameter der USA sind in der Politik jeder Administration von Truman bis zu George W. Bush erkennbar. Die jeweiligen Regierungen haben vielleicht nicht dieselben Worte benutzt, aber sie alle haben so gehandelt, als sei die ganze Welt Spielball des US-Imperiums. Und wenn ein Land eine Führung hervorbrachte, die mit dem ihr zugewiesenen Platz nicht einverstanden war, dann wurde sie kurzerhand gestürzt: Mohammad Mossadegh im Iran, Patrice Lumumba im Kongo, Salvador Allende in Chile, Rafael Trujillo in der Dominikanischen Republik, Sukarno in Indonesien sind nur wenige Beispiele. In den USA erinnern sich vielleicht nicht mehr viele an diese Namen, aber die Weltgemeinschaft kennt sie noch sehr gut. Sie weiß, daß das US-Imperium keine Spielart eines »Unfalls« der Geschichte ist und daß die genannten Staatsführer und ihre Regierungen nach der altbekannten Methode beseitigt wurden: durch politischen Mord, Destabilisierung, Geheimdienstaktionen und militärische Interventionen.
Wurde über diese Greuel, diese Terrorakte demokratisch abgestimmt? Wenn niemand mit Ja antworten kann, dann steht die Frage nach der demokratischen Legitimation dieses Staates im Raum. Denn wer in diesen existenziellen Angelegenheiten nichts zu sagen hatte, der muß sich fragen, ob sein Wille je respektiert wurde.
Die USA sind »fast so etwas« wie eine Demokratie.
Eine imperialistische Demokratie, ein Widerspruch in sich.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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