Kolumne 1.078 vom 4.07.2022: Freiheit als Fata Morgana04.07.22 (von maj) Zur Entscheidung des US-Supreme Court bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen
Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 152 vom 4. Juli 2022: Bitte HIER klicken! Freiheit als Fata Morgana Die Aufhebung dieses Grundrechts hat jetzt bei Millionen amerikanischer Frauen Schockwellen ausgelöst. Zuvor lebten sie in der Illusion, vollwertige US-Bürgerinnen zu sein, die in ihrem Privat- und Berufsleben unter dem von der US-Verfassung garantierten Schutz stehen – bis der Oberste Gerichtshof anders entschied. Auf einen Schlag beschnitt das Gericht die Freiheit von etwa 40 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter. Die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob und wann sie ein Kind gebären wollen, wurde ihnen entrissen. Welchen Wert aber hat eine Staatsbürgerschaft ohne Freiheit? Was heißt es, ein Mensch zu sein, der zur rechtlosen Hälfte eines Landes gehört, die nicht alle Freiheitsrechte genießt? Freiheit ist bei dieser Art Staatsbürgerschaft nur eine Fata Morgana. Nun werden die Rechte von Millionen von Menschen aufgrund einer durchgeknallten konservativen Theorie wieder der Entscheidungsmacht der jeweiligen US-Bundesstaaten überlassen, wo sie beschnitten und eingeengt und Frauen mit ihren Problemen wieder in finstere Vorzeiten zurückgeschleudert werden. Die Rechtsprechung kehrt wieder ins 19. Jahrhundert zurück, als die Sklaverei so legal wie das Duellieren war und US-Soldaten sich einen Spaß daraus machten, »Indianer« abzuknallen, um ihnen mehr von ihrem Land zu rauben. Selbst wenn eine Frau nicht im gebärfähigen Alter ist, ist sie dann nicht immer noch eine Bürgerin, die Anspruch auf jeden rechtlichen Schutz durch die Verfassung hat? Wann verliert dieser Schutz seine Gültigkeit? Wenn fünf oder mehr reaktionäre US-Richter die Verfassung so auslegen, wie es ihnen beliebt. Während sich Mumia Abu-Jamal weiter für die Rechte seiner Mitmenschen einsetzt, wird 40 Jahre nach dem über ihn ursprünglich am 3. Juli 1982 verhängten Todesurteil die Entscheidung über seine Berufungsrechte weiter verschleppt. Wie der US-Aktivist Joe Piette mitteilte, versammelten sich anlässlich des in Abu-Jamals Fall jüngsten gerichtlichen Anhörungstermins in Philadelphia am Mittwoch zahlreiche seiner Unterstützer vor dem Justizgebäude und forderten mit Transparenten und Sprechchören seine Freilassung. Die Richterin sah sich jedoch gezwungen, den Termin auf die Zeit nach der Gerichtssommerpause zu vertagen, da die Staatsanwaltschaft ihre jüngsten Schriftsätze erst am Vorabend eingereicht hatte, so dass diese bei Beginn der Anhörung weder der Richterin noch der Verteidigung vorlagen. Nun soll erst am 19. Oktober weiter über die Frage verhandelt werden, ob und wie es zur Wiederaufnahme des Verfahrens kommt, das 1982 nur durch skrupellosen Rechtsbruch mit der Verurteilung Abu-Jamals wegen eines angeblichen Polizistenmordes endete. (jh) |
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