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Kolumne 1.082 vom 15.08.2022: »Ihr werdet mich niemals brechen«

15.08.22 (von maj) Wie hat Albert Woodfox seine endlose Isolation überlebt? Er verwies auf die Lehren, die er aus der Zeit in der Black Panther Party gezogen habe, oder aus den Büchern von Frantz Fanon, Malcolm X und Marcus Garvey.

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 188 vom 15. August 2022: Bitte HIER klicken!


»Ihr werdet mich niemals brechen«
Wer hat nicht schon einmal von den »Angola Three« gehört, den drei jungen schwarzen Gefangenen Robert Hillary King, Herman Wallace und Albert Woodfox? Sie wurden fälschlicherweise beschuldigt, 1972 einen Gefängniswärter in dem berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis »Angola« getötet zu haben? Das auf einer ehemaligen Sklavenplantage im US-Bundesstaat Louisiana errichtete Staatsgefängnis ist nach dem afrikanischen Herkunftsland benannt, aus dem viele Sklaven in diese Gegend der US-Südstaaten verschleppt wurden. Am 4. August 2022 gaben die Anwälte von Albert Woodfox bekannt, ihr Mandant sei im Alter von 75 Jahren verstorben.

Über vier Jahrzehnte wurden Woodfox, King und Wallace im Angola-Gefängnis in brutaler Isolationshaft gehalten. Woodfox war einer der am längsten isolierten Gefangenen der Welt. Seit 1972 war er mehr als 43 Jahre lang sieben Tage die Woche und 23 Stunden am Tag völlig vereinzelt. Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter hat einmal erklärt, jede Zeitspanne von mehr als 15 Tagen Isolierung erfülle den Tatbestand der Folter und stelle eine Verletzung des Völkerrechts dar. 15 Tage – und bei Woodfox waren es 43 Jahre!

Wie hat Woodfox diese endlose Zeit überlebt? Als Antwort verwies er auf die Lehren, die er aus der Zeit in der Black Panther Party gezogen habe, oder aus den Büchern von Frantz Fanon, Malcolm X und Marcus Garvey. Nicht zuletzt sei es auch die tägliche Arbeit gewesen, die er und seine Genossen jahrzehntelang im Knast geleistet haben, indem sie den Jungs im Trakt mit den Isolierzellen Wissen über afroamerikanische Geschichte, Mathematik und Rechtschreibung per Zuruf oder Trommeln auf Wasserrohre vermittelten und Buchstabierwettbewerbe und Mathetests abhielten. In einem Interview mit der britischen Zeitung The Guardian hatte Woodfox dazu gesagt: »Unsere Knastzellen sollten eigentlich Todeskammern sein, aber wir haben sie in eine Schule und in Debattierclubs verwandelt.« Indem sie ihren Geist wachhielten, schafften sie es, sich die Bestien des Wahnsinns vom Leib und in Schach zu halten.

Nach einem langen und erbitterten Rechtsstreit vor den Gerichten erlangte Woodfox 2016 seine Freiheit wieder und kehrte zu seiner Familie zurück. Seine Tochter Brenda und seine Enkelkinder und Urenkel waren glücklich über seine Heimkehr. 2019 erschien in den USA seine Autobiographie mit dem Titel »Solitary. Unbroken by four decades in solitary confinement. My story of transformation and hope« (Titel der deutschen Edition: »Ihr werdet mich niemals brechen: Meine Geschichte vom Überleben«, Hamburg 2020). Über sein Leben, die Zeit im Angola-Gefängnis und den Kampf gegen die Isolationshaft hielt Woodfox in seinen letzten Lebensjahren Vorträge an Hochschulen in aller Welt.

In den Jahren seiner neugewonnenen Freiheit setzte er sich auch mit den Erinnerungen an seine Mutter Ruby Mable Hamlin auseinander. Sie war während seiner langen Haftjahre in Angola gestorben. Für ihn war sie die wahre Heldin seines Lebens. Sie zog ihn, seine vier Brüder und eine Schwester allein groß. Sie war, wie er sagte, eine »funktionale Analphabetin«. Aber er fügte hinzu: »Ich habe nie einen Blick der Niedergeschlagenheit in ihrem Gesicht gesehen, egal, wie schwer das Leben auch war. Ich wuchs unter der Weisheit meiner Mutter auf und trage sie in mir.«

Albert Woodfox starb an den Folgen einer Covid-19-Infektion. Er kehrte als ungebrochener Mensch zu seinen Vorfahren zurück.
Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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