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Kolumne 1.085 vom 19.09.2022: Der Kampf geht weiter

19.09.22 (von maj) Julian Assange, Journalist und Gründer von Wikileaks, droht ein beängstigendes Folterregime, sollte er wegen vorgeschobener Spionagevorwürfe an die USA ausgeliefert werden.

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 218 vom 19. September 2022: Bitte HIER klicken!

Der Kampf geht weiter
Julian Assange, Journalist und Gründer von Wikileaks, droht ein beängstigendes Folterregime, sollte er wegen vorgeschobener Spionagevorwürfe an die USA ausgeliefert werden. Dabei hat er lediglich seine Aufgabe als investigativer Journalist erfüllt und staatliche Lügenpropaganda, Verbrechen und Morde in den ungerechten Kriegen des Imperiums gegen Irak und Afghanistan entlarvt. Er hat damit kein Verbrechen begangen, außer vielleicht dem, das ihm offensichtlich nicht verziehen wird: die imperiale US-Armee in Verruf zu bringen, weil sie unbewaffnete Zivilisten im Irak und anderswo getötet hat. Wikileaks veröffentlichte einen Funkmitschnitt, in dem US-Soldaten in einem Helikopter zu hören sind, die lachen und scherzen, während sie Araber unter Feuer nehmen und abschlachten.

Es waren jedoch nicht die Mörder in Uniform, die beschuldigt wurden, sondern es ist Assange: Wegen der Veröffentlichung dieses und anderer Verbrechen erlitt er in der Isolationshaft weiße, das heißt auf die Psyche gerichtete Folter, eine klare Verletzung der Menschenrechte. Julian ist kein Bürger der USA. Er ist kein Spion. Er ist ein mutiger und intelligenter Journalist, der die Wahrheit ans Licht gebracht hat. Dafür sollte ihm nicht nur applaudiert, sondern er sollte für sein Handeln ausgezeichnet werden. Vor allem sollte er frei sein.

Und nun zu Palästina. Als ich im Mai über »Die Not Palästinas« schrieb, bezog ich mich auf die Arbeit des afrikanischen Philosophen Achille ­Mbembe in seinem 2019 auf englisch erschienenen Buch »Necropolitics« (deutsch 2017: »Politik der Feindschaft«). Professor Mbembe macht auf das aufmerksam, was er als »Ausstieg aus der Demokratie« bezeichnet. Es geht ihm um diejenigen, die zu Außenseitern gemacht werden wie die Palästinenser, die in ihrem eigenen Heimatland wie Fremde leben müssen. Mbembe vergleicht dies mit der Praxis der Apartheid in Südafrika Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts.

Die Situation in Palästina ist laut Mbembe beherrscht von »ständigen oder willkürlichen Kontrollen, Zementblöcken zur Sperrung von Straßen, der Überwachung des Luft- und Seeraums sowie des Im- und Exports aller Arten von Produkten«. Ferner von häufigen Übergriffen des Militärs, der Zerstörung von Wohnhäusern und der Schändung von Friedhöfen. Ganze Olivenhaine würden vernichtet, das Land zerstückelt, die Infrastruktur durch Bombenangriffe verwüstet. Gezielte Attentate, Techniken urbaner Aufstandsbekämpfung, Erstellung der Profile von Personen sowie Schikanen und Gewalt seien Alltag, das Leben wie in Lagern werde zum Normalzustand. Jedes erdenkliche Mittel sei recht, um ein Regime der Absonderung durchzusetzen.

Solche Praktiken erinnerten »an das geschmähte Modell der Apartheid mit ihren Bantustans, riesigen Reservoirs billiger Arbeitskräfte, ihren Zonen nur für Weiße, ihren unterschiedlichen Rechtsprechungen und ihrer mutwilligen Gewalt«, schreibt Mbembe. Die Metapher der Apartheid werde jedoch dem spezifischen Charakter der von Israel praktizierten Absonderung nicht ganz gerecht. Erstens beruhe dieses Projekt auf einer anderen metaphysischen und existentiellen Grundlage, die weitaus komplexer sei und auf einen längeren historischen Horizont zurückgehe als die Ideologie des Calvinismus der Minderheit der südafrikanischen Weißen. Zweitens seien »die Auswirkungen des israelischen Projekts auf das palästinensische Volk aufgrund seiner Hochtechnisierung weitaus gewaltiger als die relativ primitiven Eingriffe des südafrikanischen Apartheidregimes zwischen 1948 und den frühen 1980er Jahren«. Dies zeige sich »auch in den Verfahren und Techniken der rasenden Zerstörung, deren Wesen darin besteht, das Leben der Palästinenser in einen Müllhaufen zu verwandeln, der beseitigt werden« müsse. »In Südafrika haben die Trümmerhaufen nie ein solches Ausmaß erreicht«, schreibt Mbembe.

Die Zitate des brillanten Wissenschaftlers Achille Mbembe sollten uns einen Einblick in das Regime der kollektiven Bestrafung Palästinas geben. Ich gehe davon aus, dass der Kampf weitergeht. Es gibt wahrscheinlich an jedem Ort der Welt eine Gruppe junger Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für unsere Sache organisieren und den Kampf in unserem Namen fortsetzen, denn wie unsere verstorbene Schwester Kiilu Nyasha es einmal ausdrückte: »Der Kampf um Freiheit hört niemals auf.«
Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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