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Kolumne 1.101 vom 3. Juli 2023: Todestrakt abschaffen

03.07.23 (von maj) Der Autor war bis 2011 selbst drei Jahrzehnte im Todestrakt isoliert und berichtet aus erster Hand, was sich verändert hat im »Haus der Finsternis« und warum der Todestrakt abgeschafft werden muss

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 151 vom 3. Juli 2023: Bitte HIER klicken!

Todestrakt abschaffen
Es ist eine gewaltige Aufgabe, zu erklären, was der Todestrakt ist, diese befremdliche US-amerikanische Einrichtung der ultimativen Auslöschung, in die Männer und Frauen geschickt werden, um dort irgendwann früher oder später zu sterben. Ehemals verbrachten die Gefangenen 23 Stunden isoliert in ihren Zellen und eine Stunde außerhalb. Nach Protesten und Hungerstreiks der Gefangenen in den Todestrakten Pennsylvanias wurde das Knastregime dort leicht verändert. Fortan waren die Todeskandidaten 22 Stunden auf Zelle und hatten zwei Stunden Hofgang.

Diese Regelung galt jahrelang. Aber dann gab ein Experte der UNO, Juan Méndez, der UN-Sonderberichterstatter für Folter, nach dem Besuch einiger US-Gefängnisse ein Sondergutachten ab, in dem er erklärte, dass die Fortsetzung der Einzelhaft über den 15. Tag hinaus Folter und ein Verstoß gegen das Völkerrecht sei, da sie einen irreparablen Schaden der Psyche bewirke.

Ausgestattet mit diesen Erkenntnissen, wandten sich die Anwälte des »Abolitionist Law Centers« in Pittsburgh an die Gefängnisverwaltung des Bundesstaates Pennsylvania, um den »Lockdown« anzufechten, das permanente vereinzelte Wegschließen der Gefangenen im Todestrakt. Nach monatelangem Gefeilsche und Verhandlungen brach dann im Todestrakt eine neue Realität an. Seither können sich die Gefangenen mehr als sechs Stunden pro Tag außerhalb der Zellen aufhalten, haben Kontaktbesuche von ihren Familien und Freunden, können sich unter die anderen Insassen mischen und mit ihnen gemeinsam Hofgang machen.

Für viele Gefangene, die jahrzehntelang in Todeszellen gesessen hatten, war der Trakt nach diesen Neuerungen kaum wiederzuerkennen. Noch wichtiger ist, dass die Prozesse einiger der zum Tode Verurteilten neu aufgerollt wurden und sie als freie Menschen nach Hause gehen konnten. Im Laufe der letzten Jahre haben zweifellos einige von euch von diesen Fällen gehört, in denen die Gefangenen das Haus der Finsternis endlich verlassen konnten. In Dutzenden anderen Fällen wurden in aller Stille vor Gericht Neuverhandlungen über das Strafmaß durchgeführt. Die Umwandlung der Todesurteile in Zeitstrafen ergab, dass einige ihre Strafe bereits abgesessen hatten und andere nur noch wenige Jahre in Haft bleiben mussten. Aber trotzdem bleibt der Todestrakt eine Waffe in der Hand der Todesstrafenbefürworter und bedarf weit mehr als einer Reform – er muss abgeschafft werden.
Übersetzung: Jürgen Heiser

Das »Death Penalty Information Center« (DPIC), eine in den USA landesweit tätige gemeinnützige Organisation, schreibt auf seiner Website, dass in Pennsylvania heute 127 Männer im Todestrakt von Waynesburg und eine Frau im Trakt des Staatsgefängnisses Muncy inhaftiert sind. Unter der Überschrift »Berühmte Fälle« berichtet das DPIC: »Mumia Abu-Jamal wurde 1981 des Mordes an dem Polizeibeamten Daniel Faulkner angeklagt. Sowohl der Prozess als auch das Todesurteil lösten eine heftige Kontroverse aus. Während seines drei Jahrzehnte dauernden Aufenthalts im Todestrakt von Pennsylvania haben Abu-Jamals Unterstützer stets seine Unschuld beteuert. Organisationen wie Amnesty International und die Stadtregierung von Paris haben erklärt, der Prozess sei durch Rassendiskriminierung und Fehlverhalten der Staatsanwaltschaft belastet gewesen. Während seiner Zeit in der Todeszelle veröffentlichte Abu-Jamal zahlreiche Bücher, darunter die Essaysammlung »Live from Death Row« (deutsch: »… aus der Todeszelle«, Bremen 1995). Sein Todesurteil wurde schließlich von einem US-Bundesgericht aufgrund der verfassungswidrigen Geschworenenauswahl aufgehoben.« Diese Entscheidung im Jahr 2001 führte zur Umwandlung in lebenslange Haft, erlangte aber erst 2011 Rechtskraft. Seitdem kämpft Abu-Jamal weiter gegen eine Front von Rassisten in Polizei und Justiz um Wiederaufnahme seines Verfahrens. (jh)

 
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