Kolumne 12.07.03: Die Irak GmbH
14.07.03 (von maj) USA-Firmen wollen am Golf fette Kriegsbeute machen – heute und in Zukunft
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 160, 11./12. Juli 2003
»Wenn Finanziers Konzessionen erworben haben, dann müssen diese vom Außenminister gesichert werden, selbst wenn die Souveränität widerspenstiger Nationen grob verletzt wird - wenn die ihre Türen geschlossen halten, dann müssen sie halt eingetreten werden.»
(Der spätere USA-Präsident Woodrow Wilson 1907 in seiner Eigenschaft als Universitätspräsident während einer Vorlesung an der Columbia University)
In den USA waren sich viele Menschen im klaren darüber, daß hinter der angeblichen Bedrohung durch Irak etwas anderes steckte: die Verlockung für die USA, Kontrolle über die reichen Ölvorkommen zu erlangen. »Kein Blut für Öl!« wurde deshalb zu einer Demonstrationsparole, die um die Welt ging.
Die Ereignisse, die auf die sogenannte »Befreiung« Iraks folgten, offenbarten, daß unsere Vorstellungen viel zu beschränkt waren. Selbstverständlich ist das schwarze Gold für die im Weißen Haus und im Außenministerium residierende »Öl-Oligarchie« kostbar, aber damit ist noch nicht alles erklärt. Dazu ein Zitat des legendären Generals aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, George Armstrong Custer, der folgenden Sruch von sich gab, als er Soldaten und Geschäftsleute zu den heiligen Paha Sapa (Black Hills) eskortierte: »Boys, dort in den Tahr-Hügeln wartet eine Menge Gold!« Auf heute bezogen: In den staubigen Ruinen Iraks ist noch eine Menge Zaster zu verdienen.
Die Bechtel Corporation, die sich bester politischer Kontakte zur Regierung erfreut, bekam ihren Auftrag, mit dem Wiederaufbau Iraks zu beginnen, von der Internationalen Entwicklungsagentur (US-Agency for International Development, AID). Es geht für Bechtel um ein Auftragsvolumen von mindestens 680 Millionen US-Dollar. Vizepräsident Dick Cheneys frühere Firma Kellogg, Brown & Root, eine Tochtergesellschaft von Halliburton, erhielt das Recht zugesprochen, die irakischen Ölfelder auszubeuten - ein Projekt, das sicherlich einige Milliarden wert ist. Das Pentagon erteilte dem Telekommunikationsgiganten MCI den Auftrag, ein irakisches Mobilnetz zu entwickeln. Das garantierte Honorar: 45 Millionen US-Dollar.
Wir erleben also, wie in den irakischen Ruinen reichlich Kriegsbeute gemacht wird. Eine Beute, die nur der Samen ist für eine noch größere Ernte von Reichtum und Wohlstand. Natürlich wollen die Vertreter der Bush-Regierung die Sache in der Öffentlichkeit anders darstellen. Vor ein paar Monaten sagte der mittlerweile aus der Bush-Administration ausgeschiedene Richard Perle in einer Rede vor dem neokonservativen American Enterprise Institute: »Meiner Meinung nach haben wir uns auf dem Schlachtfeld das Recht erkämpft, eine konsequente Politik zu etablieren, die zum Wohle des irakischen Volkes geschieht.« Er beeilte sich, nachzuschieben: »Es geht uns dabei natürlich nicht darum, etwas für uns zu bekommen...« Er skizzierte die Rolle der USA als die einer Verwalterin des eroberten Territoriums. Natürlich müssen die USA nichts mehr »bekommen«, sie haben bereits, was sie wollten: Irak.
Und trotz der während des G-8-Gipfels in Evian demonstrierten »Erwärmung« des Klimas zwischen den USA und dem »alten Europa« haben die USA vor, Frankreich und Deutschland die kalte Schulter zu zeigen, wenn es darum geht, die Sahnestücke zu verteilen, die Irak zu bieten hat.
Wieder einmal wurde bewiesen, daß der Krieg ein gutes Geschäft ist - für ein paar wenige. Nicht berücksichtigt in dieser Rechnung sind natürlich das irakische Volk und die anderen Völker dieser Region. Sie müssen unter der Angst leben, möglicherweise Opfer des nächsten demonstrativen Krieges zu werden, den das Imperium führt, um die unterjochten Völker unter ihrer Knute zu halten. Für Hunderte amerikanischer Familien, die einen geliebten Menschen im irakischen Abenteuer verloren haben, muß es eine bittere Erkenntnis sein, daß sie ihr Opfer nicht für die »Demokratie« gebracht haben, auch nicht für den »Kampf gegen den Terrorismus«, sondern allein deshalb, um die Tresore jener Unternehmen zu füllen, die vor den letzten sogenannten Wahlen die Aktenkoffer der Politiker mit Spenden vollgestopft haben.
Vor mehr als einem Jahrhundert war der gesamte afrikanische Kontinent - mit Ausnahme Äthiopiens - von den europäischen Mächten England, Frankreich, Portugal und Deutschland kolonisiert worden. Die Europäer versuchten, ihre kolonialen Raubzüge damit zu rechtfertigen, sie würden den unwissenden Eingeborenen die »Zivilisation« bringen. Was sie tatsächlich brachten, war eine ungeheure Ausbeutung, war der Wahn der weißen Überlegenheit und ein Meer von Tod und Zerstörung. Als die afrikanischen Völker für ihre Befreiung kämpften und die Kolonien aufgegeben wurden, hinterließen die abziehenden Kolonialmächte zerrüttete Ökonomien, eine lange Tradition der Korruption und eine gesellschaftliche Situation, in der die Mehrheit der Einheimischen von jedweder Bildung ausgeschlossen war. Viele afrikanische Länder leiden noch heute unter den Folgen dieses unglückseligen Erbes.
Wir werden jetzt Zeuginnen und Zeugen eines neuen Imperialismus: Irak liegt in Trümmern, und US-amerikanische Konzerne verdienen sich am Wiederaufbau eine goldene Nase. All das geschieht, so versichert man uns, nur »zum Wohle des irakischen Volkes«.
Haben wir dieses Märchen nicht schon zu oft gehört?
Übersetzung: Jürgen Heiser
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