Kolumne 23.08.03: Die Bush-Blair-Doktrin
25.08.03 (von maj) Die Soldaten der USA und Großbritanniens in Irak hatten den Marschbefehl des Big Business
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 196, 23./24. August 2003
Der Irak-Krieg sei zu Ende, heißt es im offiziellen Sprachgebrauch.
Nach einer Flut von Angriffen, die fast täglich Tote unter den US-Soldaten gefordert haben, mußte der neu ernannte militärische Oberbefehlshaber der Region, General Abizaid, aber eingestehen, was offensichtlich ist: Irakische Kräfte führen einen Guerillakrieg gegen die US-amerikanischen und britischen Besatzer, die gekommen sind, um dem irakischen Volk angeblich "Freiheit und Demokratie zu bringen".
Inzwischen hat die Achse Bush-Blair weitere Brüche bekommen, seit kürzlich aus dem Weißen Haus verlautete, Präsident Bush hätte besser nicht verbreitet, daß »Niger Uran an Saddam geliefert« habe - eine Kriegslüge, wie man in Europa sehr schnell erkannt hatte.
Der vermeintliche »große Sieg über die Mächte der Tyrannei im Irak« entwickelt sich derzeit zum gigantischen Desaster. Wie die meisten Völker, so mag es auch das irakische nicht, daß ihm von außen aufoktroiert wird, was es zu tun und zu lassen hat, was es sagen und was es nicht sagen darf. Das irakische Volk wird seinen gerissenen Präsidenten Hussein nicht geliebt haben, aber angesichts des Alptraums, den die US-amerikanische und britische Soldateska über das Land gebracht hat, beginnt das alte Regime seinen Schrecken zu verlieren.
Vor wenigen Tagen machte ein junger Gefangener hier im Todestrakt eine interessante Bemerkung, als er mit anderen Gefangenen über die jüngsten Nachrichten sprach, die zu uns vorgedrungen waren. »Okay, sieht ganz so aus, daß sie das amerikanische Volk belogen haben, um rechtfertigen zu können, dort einzumarschieren. Dann sollten sie dem Kerl auch sein Land zurückgeben, oder?«
Als einige der Männer über seine Bemerkung lachten, fügte er sehr ernst hinzu: »Seht mal, die haben mit Fälschungen gearbeitet, um da reingehen zu können. Dann haben sie den Leuten ihr Land weggenommen - ernsthaft. Das ist nicht in Ordnung. Müssen sie's dann den Leuten jetzt nicht wieder zurückgeben?«
Einige der Gefangenen lachten weiter. Andere kamen ins Grübeln, als wenn ihnen der Gedanke vorher noch nie in den Sinn gekommen wäre.
Die US-Truppen haben Bagdad nicht bombardiert, um den Irakis die Demokratie zu bringen. Die Briten haben Najaf nicht angegriffen, um dort den Parlamentarismus einzuführen. Die Kriegspläne von Bush und Blair sahen nicht vor, »das irakische Volk zu befreien«. Millionen von Menschen überall auf der Welt leben in Unfreiheit. Die Briten brauchen nicht weit zu gehen: direkt vor ihrer Tür liegt Irland, seit 700 Jahren britische Kolonie. Und die USA brauchen bloß einen Schritt in die Karibik zu machen, dort liegt der sogenannte »Commonwealth of Puerto Rico«, US-Kolonie seit 1898. Aber darum geht es ja nicht wirklich. Als Bush und Blair ihre Truppen in den Krieg schicken, gaben sie ihnen die Marschbefehle des Big Business mit, in denen nichts davon stand, die Freiheit zu suchen, sondern die ungeheuren Ölvorkommen in den Wüstenregionen zu sichern.
Vor dem Krieg hallte millionenfach die Parole »Kein Blut für Öl!« wider. Diese Forderung war damals genauso richtig wie heute. Das US-Imperium hat die Vereinten Nationen so lange unter Druck gesetzt, bis sie dem Abenteuer ihre Zustimmung versagten. Daraufhin versuchten die USA, Frankreich und Deutschland politisch zu isolieren, und für einige Zeit war in den Vereinigten Staaten alles verpönt, was französisch ist. Jetzt, da die US-Soldaten nicht mit Blumen, sondern mit Gewehrsalven empfangen werden, streckt das Imperium dem »Alten Europa« wieder seine Hand entgegen, um es dazu zu bewegen, die Kriegs- und Besatzungskosten mit dem Imperium gemeinsam zu tragen. Das »Alte Europa« reagierte verhalten auf diese Idee - zunächst. Wird der Anschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad diese Haltung ändern?
Der Krieg, der so einfach begonnen wurde, wird nur schwer zu beenden sein.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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