Kolumne 1.09.07: Ohrenbetäubendes Schweigen
01.09.07 (von maj) Warum Simbabwes Präsident Robert Mugabe in die Mühlen westlicher Kritik geriet
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 206 - 1./2.09.2007
Die Flut der negativen Meldungen über Simbabwe, das Land im südlichen Afrika, muß kritische Journalisten mit Mißtrauen erfüllen: Einerseits Berichte über staatliche Repression, Gewalt gegen prodemokratische Aktivisten, Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Mugabe und seine Regierung und einen erschreckenden Niedergang der Wirtschaft des Landes, die nicht alle bloße Propaganda sein können. Andererseits die Frage, welche Quellen hinter diesen Nachrichten stehen und warum Robert Mugabe erst seit dem Tag, als er öffentlich die weißen Siedler aufforderte, Zehntausende Hektar Land an die afrikanische Bevölkerung zurückzugeben, vom Westen mit Kritik bombardiert wird.
Die meisten Berichte lassen einen Aspekt vermissen, der von großer Bedeutung ist: Die Tatsache, daß eine winzige weiße Minderheit von etwas über einem Prozent der Bevölkerung fast 75 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Landes besaß und die große Mehrheit der Afrikaner auf einem Rest kärglichen Landes um ihr Überleben kämpfte.
Die Wirtschaft Simbabwes steckt in kolossalen Schwierigkeiten, seit der Staat am Verhandlungstisch im Londoner Lancaster House gegründet wurde und die erste unabhängige afrikanische Regierung des Landes das erdrückende Erbe der Schuldenlast übernahm, die das Kolonialregime unter Ian Smith hinterlassen hatte. Diese Schulden waren nicht etwa das Ergebnis der Bemühungen des Smith-Regimes, die afrikanische Mehrheit der Bevölkerung des damaligen Rhodesiens angemessen mit Nahrung, Kleidung und Bildung zu versorgen, sondern vielmehr Folge eines gnadenlosen Terrorkrieges gegen die antikoloniale Befreiungsbewegung, die für Freiheit und Unabhängigkeit kämpfte. Das Smith-Regime ruinierte den Staatshaushalt bei dem Versuch, die weiße Vorherrschaft in Rhodesien aufrechtzuerhalten.
Wie kam es überhaupt dazu, daß dieses Land den Namen Rhodesien erhielt? Das Land ist kaum größer als Kalifornien und entstand 1889, als Lobengula, der König der Matabale, einen Territorialvertrag mit Cecil Rhodes schloß, dem Präsidenten der British South Africa Company (BSAC). König Lobengula regierte nach dem Tod seines Vaters, König Mzilikazi, über ein Gebiet, das die heutigen Staaten Simbabwe und Sambia umfaßte. Lobengula war der irrigen Meinung, er habe einen Vertrag über die Vergabe von Minenrechten an die BSAC unterzeichnet, aber Rhodes interpretierte den Vertrag als Übertragung der Regierungsrechte an ihn. Die Saat für das, was dann nach Rhodes »Rhodesien« genannt wurde, war gelegt.
Die Zeitschrift The Black Scholar hat ihre Frühjahrsausgabe 2007 Simbabwe gewidmet. Darin zitiert der Historiker Gerald Horne aus der Rede der afroamerikanischen Abgeordneten Cynthia McKinney vor dem US-Kongreß im vergangenen Jahr, in der sie sich gegen die Verhängung von Sanktionen gegen Simbabwe aussprach:
»Am 28. November 2001 hat der Ausschuß für Internationale Beziehungen sich mit dem sogenannten Zimbabwe Democracy and Economic Recovery Act befaßt. In der Debatte habe ich meinen Kollegen Abgeordneten, die sich so vehement für dieses Gesetzeswerk aussprachen, die einfache Frage gestellt, ob mir jemand erklären könne, wie die im Gesetz erwähnten Leute in den Besitz ihrer Ländereien gekommen sind. Meine Frage löste ein ohrenbetäubendes Schweigen aus. Jene, die eine Antwort wußten, wollten die Wahrheit nicht aussprechen, und jene, die tatsächlich keine Ahnung hatten, hätten sich kundig machen müssen: Es war die British South Africa Company, die den Eingeborenen das Land stahl, und deswegen sind all diese Besitztitel illegal und ungültig.« Und dann beschrieb Gerald Horne weiter, wie McKinney die Frage aufwarf, wie man wohl in den USA reagiert hätte, wenn die Regierung von Simbabwe angesichts des Wahlbetruges bei der US-Präsidentenwahl im Jahr 2004 einen »United States Democracy Act« verabschiedet und die USA mit Sanktionen belegt hätte.
Das ganze Geschrei von US-Politikern und -Medien über »Menschenrechte und Demokratie« erscheint hohl angesichts des Debakels in Irak. Wie will die US-Regierung jemand glauben machen, daß sie sich um die Menschenrechte in Simbabwe sorgt, wenn zwei Jahre nach der »Katrina«-Katastrophe die Menschenrechte der afroamerikanischen Einwohner von New Orleans immer noch mit Füßen getreten werden? Wie soll man in einem Atemzug über Menschenrechte und Guantánamo reden?
Es geht den USA und dem Westen in Simbabwe weder um Menschenrechte noch um Demokratie. Es geht um den Kolonialismus in neuem Gewand – die kapitalistische Globalisierung – und die Fortsetzung der Ausplünderung Afrikas für fremde Interessen.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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