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Kolumne 27.10.07: Synonym für Alptraum

27.10.07 (von maj) Jugendgefängnis in US-Kleinstadt Jena seit Jahren wegen Gewalttätigkeit und Rassismus der Aufseher berüchtigt. Aber auch in Kommunen werden Schwarze diskriminiert

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 250 - 27./28.10.2007

Sogar für viele Menschen in den USA war die Kleinstadt Jena bis vor ein paar Wochen völlig unbekannt. Erst die Ereignisse um die »Jena 6«, die von Polizei und Justiz verfolgt wurden, weil sie sich an der Jena High School gegen rassistische Mitschüler gewehrt hatten, haben den Ort in den USA und international bekanntgemacht. Doch für Hunderte, wenn nicht Tausende junge Schwarze war Jena schon seit einigen Jahren zu einem Synonym für Rassismus, Gewalt, Vergewaltigung und Erniedrigung geworden.
Nachdem der Hurrikan »Katrina« New Orleans und seine Umgebung verwüstet hatte, wurden Hunderte Gefangene aus dem Katastrophengebiet in das Jugendgefängnis von Jena verlegt. Für diese Gefangenen verwandelte sich damit die Naturkatastrophe in einen von Menschen gemachten Alptraum. Die Behandlung, der sie in dieser Anstalt unterworfen waren, erlebten die verlegten Gefangenen als mittelalterlich und moralisch verwerflich. Dabei waren die Vorwürfe bekannt, denn das »Jena Juvenile Justice Center« war bereits einmal geschlossen worden, nachdem ein mit einer Klage gegen die Anstalt befaßter Bundesrichter in seinem Urteil die scharfe Kritik geäußert hatte, das Gefängnis sei ein Ort, an dem Menschen wie Tiere behandelt wurden, »die auf allen vieren kriechen«. Der Mangel an Haftplätzen unmittelbar nach dem Hurrikan und den Überschwemmungen weiter Gebiete hatte jedoch dazu geführt, daß der Jugendknast von Jena erneut belegt wurde.
Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch und die größte US-Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement for Colored People (NAACP) veröffentlichten Berichte, wonach die in Jena eintreffenden Gefangenen unmittelbar nach ihrer Einlieferung brutal behandelt, geschlagen, belästigt und von den Wärtern rassistisch beschimpft wurden. Minimale Rechte, die von der Verfassung garantiert werden, wurden ihnen verweigert: Weder wurden ihnen Beschwerdeformulare, Papier und Bleistifte ausgehändigt, noch duften sie mit ihren Familien telefonieren. Sie wurden behandelt, als seien sie Gefangene in Guantánamo, die im Verdacht stehen, Al-Qaida-Kämpfer zu sein. Human Rights Watch und NAACP haben versucht, staatliche Stellen für die Vorgänge in Jena zu interessieren und sie zu einer intensiven Untersuchung zu veranlassen, aber mehr als Lippenbekenntnisse haben sie dabei nicht erreicht. Auch Regierungspolitiker in Washington kündigten eingehende Untersuchungen an, aber es ist zweifelhaft, daß sich die Verantwortlichen je ernsthaft mit den Vorgängen im »Jena Juvenile Justice Center« befassen werden. Die Presse hat nie über die Beschwerden der Gefangenen des Jugendgefängnisses berichtet, und auch um die Vorfälle an der Jena High School wurde es schnell wieder ruhig. Bestenfalls gab es noch Nachträge am zweiten oder dritten Tag. Im wesentlichen boten die Artikel aber weißen Einwohnern von Jena eine Bühne, auf der sie verkünden konnten, allesamt keine Rassisten zu sein, und auf der sie die Ereignisse so darstellen konnten, als hätten ein paar weiße Jugendliche »über die Stränge geschlagen, die einfach ein bißchen Spaß haben wollten«.
Es war wie eh und je: Außer der Protestbewegung und einem Teil der schwarzen Presse hat niemand nach den Ursachen des Rassismus gefragt. Und nachdem die massiven Proteste die Freilassung des letzten schwarzen Schülers der »Jena 6« bewirkt hatten, verschwand das Thema wieder aus der Öffentlichkeit. Es wird nicht mehr danach gefragt, was sich in Zukunft ändern soll.
Wie kann es aber angehen, daß in den USA heute jemand mit Kapuze und Gewand des Ku-Klux-Klan herumläuft und gleichzeitig allen weismachen will, er sei kein Rassist?

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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