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Kolumne 22.12.07. Fest der Obdachlosen

22.12.07 (von maj) In vielen Städten der USA wiederholt sich derzeit ein zweitausend Jahre altes Sozialdrama // Mit dieser 366. Kolumne in Folge erscheinen Mumia Abu-Jamals Kolumnen nunmehr seit 7 Jahren wöchentlich in der Tageszeitung junge Welt – die erste wurde am 16. Dezember 2000 veröffentlicht

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 297 - 22./23.12.2007

Wenige Tage vor dem Fest des Neugeborenen, der mit seinen obdachlosen Eltern in einem Viehstall bei Bethlehem Unterschlupf fand, ist es sinnvoll, einmal genau hinzuschauen, wieso heutzutage in den USA Menschen ihr Zuhause verlieren. Für unzählige Familien im ganzen Land ist es nicht mehr selbstverständlich, ein Dach über dem Kopf zu haben.
Die Vertreibung aus ihren bisherigen Wohngebieten betrifft nicht nur jene, die sich ihr Einfamilienhaus auf Kredit gekauft haben, sondern auch diejenigen, die zur Miete wohnen. Im gleichen Maße, in dem die Kredite für den Hauskauf unbezahlbar wurden, ist auch der Mietzins gestiegen. Als in den USA die Immobilienblase entstand, entwickelten sich die Hypotheken mit variablen Zinsen (Adjustable Rate Mortgage, ARM) zum wichtigsten Verkaufsschlager im Bereich der Hauskredite. Einige Jahre lang verdienten die Banken Milliarden vor allem an jungen Familien, die sich bereitwillig in die Reihen der Haus- und Grundbesitzer hatten locken lassen. Der Trick dabei: Bei den ARM-Krediten zahlt der Schuldner zunächst über etwa drei bis fünf Jahre einen sehr geringen Zinssatz. Doch nach dieser Phase schnellen die Zinsen in die Höhe. Also kamen jüngst unzählige neue Hauseigentümer in arge Bedrängnis: Eine Welle von Zwangsvollstreckungen schwappte über das Land.
Die hohe Zwangsvollstreckungsrate hat ihren Ursprung im Immobilienboom der Jahre 2001 bis 2005, als die Kreditinstitute ihre Kriterien für die Vergabe von Geldern lockerten und Bedingungen schufen, unter denen Hypothekenvermittler immer weniger auf die Rückzahlungsfähigkeit der Schuldner achteten. Dieses führte auch zur verbreiteten Vergabe von spekulativen, also unnötig hohen Kreditsummen an Leute, von denen man wissen mußte, daß sie aufgrund ihres geringen Einkommens nie zu einer regulären Schuldentilgung in der Lage sein würden.
Der Entwicklung auf dem Haus- und Wohnungsmarkt liegt eine perverse Logik zugrunde: Die Zahl der Kreditabschlüsse kletterte just in dem Moment in schwindelerregende Höhen, als nach dem Zusammenbruch ganzer Industrien in großstädtischen Gebieten dem Heer der Arbeitssuchenden nur noch Niedrigstlöhne geboten wurden. Für einen kurzen Moment schien sich diesen Geringverdienenden ein Fenster der Hoffnung zu öffnen, als ausgerechnet ihnen, die kaum von einem eigenen Haus zu träumen wagten, plötzlich Geld zu scheinbar günstigen Konditionen angeboten wurde. Aber kaum, daß sie sich in ihren Häusern eingerichtet hatten, schnappte die Falle zu: Ratenverzug, Kündigung der Hypothek, Zwangsvollstreckung, Zwangsräumung.
Die Folgen sind dramatisch: In Buffalo will das Bürgermeisteramt 5000 leerstehende Häuser abreißen lassen. In den ärmeren Stadtteilen von Philadelphia werden die Bewohner aus ihren Mietwohnungen hinausgedrängt, um Platz zu machen für die jungen Besserverdienenden, die Yuppies. In New York müssen Besitzer von Häusern oder Eigentumswohnungen 30 bis 50 Prozent ihres Einkommens zur Tilgung von Krediten aufbringen. Die ins Astronomische steigenden Mieten treiben die Bewohner von Manhattan, Brooklyn und Queens hinaus in die Bronx. In San Francisco gibt es faktisch für Arme keine bezahlbaren Wohnungen mehr.
Wer schwarz ist, zur Arbeiterklasse gehört und zu wenig verdient, sieht sich in immer mehr Städten gezwungen, seinen Geburtsort, an dem seine Familie über Generationen gelebt hat, zu verlassen. Damit ist eine weitere Front des permanenten Krieges gegen die Armen eröffnet. Das geschieht in einer Zeit, in der die politische Führung des Landes Hunderte Milliarden Dollar für Kriege verpulvert. Wem nützt es, wenn der Dow Jones Index und der NASDAQ Rekorde brechen und gleichzeitig Familien ihre Häuser verlieren, Mieter aus ihren Wohnungen und Städten vertrieben werden und den einen wie den anderen die ungewisse Zukunft eines Lebens als Obdachlose droht? Für die Armen ist diese Erscheinung nur eine andere Form des Krieges.
Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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