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Kolumne 23.02.08: Dämonen der Hölle

23.02.08 (von maj) Westliche »Stammespolitik« am Beispiel Kenia: Über die Freiheit, zu rauben und zu stehlen

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 46 - 23./24. Februar 2008

Als es nach den Wahlen in Kenia zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam, belegten die westlichen Medien das Thema mit altbekannten Reizwörtern wie »Stammesfehden« und »ethnische Feindseligkeiten«. Es erschienen geradezu voyeuristische Reportagen über die Gewaltakte, durch die Teile des Landes verwüstet wurden: Detaillierte Schilderungen sollten die westlichen Leser, Hörer und Zuschauer von der Verwilderung der Sitten überzeugen – als angeblich typisch für den afrikanischen Kontinent. Und also den Umkehrschluß nahelegen, die westlichen Länder seien friedlich und zivilisiert. »Stammespolitik« ist zu einem journalistischen Schlagwort geworden für das Handeln von Menschen mit brauner oder schwarzer Hautfarbe.
Natürlich sind die Zusammenhänge um einiges komplexer, doch ist komplexes Denken nicht gerade das, wofür die US-Medien stehen. Die Gewalt in Kenia ist ein Ergebnis der Politik herrschender Eliten, die aus taktischen Gründen die Gewaltbereitschaft unter den verarmten Massen und Jugendlichen schüren, um so gesellschaftliche Konflikte für die eigenen Interessen ausnutzen zu können. Wie den meisten postkolonialen Staaten wurde auch Kenia nach der Erringung seiner Unabhängigkeit von den alten Kolonialmächten unter Druck gesetzt, auf keinen Fall die Grundzüge des Wirtschaftssystems zu verändern. In der Folge mutierten manche Anführer von Unabhängigkeitsbewegungen zu Juniorpartnern des internationalen Kapitals. Sie häuften persönliche Reichtümer an, während die Armen und die Arbeiterklasse oftmals noch skrupelloser ausgebeutet wurden.
Wenn westliche Medien über Kenias »Stabilität« berichten, dann meinen sie in der Regel den Zustand des Staates, der es dem ausländischen Kapital ermöglicht, ungehindert Profit aus dem Land zu schlagen. Vor fast dreißig Jahren schrieb der hervorragende kenianische Schriftsteller Ngugi wa Thiong’o in seinem Roman »Devil on the Cross« (Der gekreuzigte Teufel, 1980) darüber, wie westliche Geschäftsleute ihren kenianischen Partnern beibringen, auf kriminelle Weise zu viel Geld zu kommen.
Diese europäischen und kenianischen Wirtschaftsbosse treffen sich in einer finsteren unterirdischen Höhle, und Dämonen der Hölle gleich frohlocken sie über ihre Fähigkeit, die Armen zu schröpfen und die Geldspeicher des Staates zu leeren. Der Boß der Bosse ist ein US-Amerikaner, der vor seinen versammelten Kumpanen einen Vortrag über den »freien Handel« hält: »Wir glauben an die Freiheit, die Freiheit zu rauben und zu stehlen, so gut es jeder von uns versteht. Wir nennen das ›persönliche Initiative‹ und bauen dazu unsere Unternehmen auf. Wir erklären seit jeher, daß wir zur freien Welt gehören, eine Welt, in der uns absolut keine Grenzen gesetzt werden, andere zu bestehlen.«
Über die Hintermänner der Gewalt in Kenia wird in den westlichen Medien nicht berichtet. Das wäre zu komplex, und es paßt nicht in die von den Meinungsmachern bevorzugten Schablonen. In den USA gibt es nur eine Ausnahme: In der einflußreichen African Times schreiben afrikanische Journalisten, Schriftsteller und Wissenschaftler nuancierte, gut recherchierte und politisch intelligente Artikel und Reportagen, mit denen ein anderes Bild der kenianischen Realität vermittelt wird. All diese Autoren verleugnen auch nicht, daß es bei dem Kampf um die politische Macht um das Privileg geht, die Nation im Interesse des ausländischen Kapitals zur Ader zu lassen. Die von diesen knallharten Interessen ausgehende Gewalt wird vernebelt hinter der Propaganda von der Gewalt der »Stammesfehden«. Ein Mythos des Westens.
Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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