Kolumne: 12.04.08: Macht und Gesichter
12.04.08 (von maj) Das Römische Reich und die USA: In wessen Interesse funktioniert die Maschinerie imperialer Politik?
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 86 - 12./13. April 2008
Bis zu den Präsidentschaftswahlen in den USA geht noch ein halbes Jahr ins Land, und noch kann niemand sagen, wer am Ende siegen wird. Nehmen wir an, der demokratische Senator Barack Obama aus Illinois würde im November Geschichte schreiben – was würde das bedeuten? Es kommt ganz darauf an, wem man diese Frage stellt. Für einige US-Bürger bedeutete Obamas Sieg eine tiefgreifende gesellschaftliche Veränderung des Charakters dieser Nation. Für andere, vor allem jene, die einem weißen Überlegenheitsdenken anhängen, würde durch einen schwarzen Präsidenten ein Alptraum Wirklichkeit werden. Manche sehen dem also mit Schrecken entgegen, andere mit großer Erleichterung und Befriedigung. Für internationale Beobachter wäre Obamas Wahlsieg eine Veränderung im doppelten Sinne: eine Veränderung in der Wahrnehmung der USA und eine Chance zur Veränderung der US-Außenpolitik.
Ich halte dem entgegen: Obamas Sieg würde zunächst einmal nichts anderes bedeuten, als daß dann ein neues, sympathisches Gesicht an der Spitze des Imperiums steht; ein braunhäutiges, gewiß. Der gegenwärtige US-Präsident wird von vielen nur noch als Idiot angesehen; sein Gesicht symbolisiert die Kriegslust der USA. George W. Bush hat dem Land soviel Chaos gebracht, daß die Mehrheit jetzt nach einem neuen Gesicht verlangt – und Obama könnte dieses neue Gesicht liefern. Der ausländische Interviewer, dem gegenüber ich diese Meinung vertrat, schien über meine Antwort irgendwie schockiert zu sein, aber so ist es nun einmal.
Das heutige US-Imperium erinnert wegen der Einstellungen und wegen des Verhaltens seiner Eliten in vielem an das Römische Reich. Im alten Rom waren Wahlen eine Sache reiner Proklamation und Akklamation: Der angehende Imperator meldete seinen Anspruch auf den Thron an, und der römische Senat, der nur theoretisch das »Volk« repräsentierte, und vor allem die Armeeführer stimmten dem Kandidaten per Akklamation zu und bejubelten ihn als den neuen, den wahren Imperator. So sah es zumindest in der Theorie aus, aber in der Praxis war es oft die Armeeführung, die den nächsten Imperator ernannte, und alle anderen Machtträger erklärten sich mit der Wahl einverstanden. Dabei wurden Männer unterschiedlicher Charaktere und Fähigkeiten ausgewählt. Einige von ihnen waren so brutal wie das Militär, aus dessen Reihen sie aufgestiegen waren. Andere, wie beispielsweise Nero und Caligula, waren schlicht und einfach Wahnsinnige mit ungeheurer Machtausstattung.
Ein Imperium funktioniert etwa so wie eine Maschine, und es macht keinen großen Unterschied, wer die entscheidenen Knöpfe bedient. Imperien brauchen Galionsfiguren, und Galionsfiguren sind austauschbar, denn entscheidend ist einzig und allein, ob die Maschine die Funktion erfüllt, für die sie vorgesehen ist. Die Kernfrage lautet: Läuft sie?
Ein Präsident, egal wieviel Macht er auch haben mag, bestimmt nicht allein, wie die Staatsmaschine läuft. Sie sind in vielerlei Hinsicht die »Tyrannen vom Dienst«. Sie kommandieren zwar das Militär und geben in der Regel vor, was in der Regierungspolitik als wichtig angesehen wird. Ihrer Macht sind aber Grenzen gesetzt. Sie bestimmen zum einen nicht über die Politik der Wirtschaft, zum anderen ist auch ihre militärische Macht begrenzt, wie vor allem das Beispiel Irak aktuell deutlich macht.
In den USA befindet sich – nicht zuletzt durch die hohen Kriegskosten – die Ökonomie im freien Fall, der Ölpreis hat sich seit Beginn des Krieges verdreifacht, das Trinkwasser ist durch Steroide, pharmazeutischen Abfall und menschliche Fäkalien verseucht, das öffentliche Schulsystem steht kurz vor dem Zusammenbruch, und der Präsidentschaftswahlkampf scheint das letzte Mittel der Zerstreuung zu sein. Jeder muß sich angesichts dieser Lage die Frage stellen: Funktioniert diese Maschine imperialer Politik eigentlich in meinem Sinne?
Übersetzung: Jürgen Heiser
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