Kolumne 6.06.09: Es bleibt, wie es war
06.06.09 (von maj) Die Präsidentschaftswahlen der USA und was daraus zu lernen ist
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 130 - 6./7. Juni 2009
Wenn US-Präsident Barack Obama in diesen Tagen den Nahen Osten und Europa bereist und seine Person und Reden wieder einige Beachtung und Jubel ernten werden, sei noch einmal an die noch nicht so weit zurückliegende Präsidentenwahl erinnert und die kritische Frage aufgeworfen, was daraus zu lernen ist. Denn es gilt, sowohl neue als auch alte Lehren aus diesem Ereignis zu ziehen.
In mancher Hinsicht wurde durch Obamas Wahlsieg eine neue Seite im Buch der Geschichte aufgeschlagen. Ein Vorgang, der so bisher noch nie dagewesen ist und Auswirkungen auf viele nationale und internationale Entwicklungen hat. Andererseits stellt diese Wahl ein Lehrstück an Kontinuität der herrschenden Politik dar, weil die Demokratische Partei auch 2008, wie schon in den Kongreßwahlen von 2006, bemüht war, den Reichen und Wohlhabenden zu beteuern, daß sich nichts Wesentliches ändern werde und ihre Interessen geschützt würden.
Und während Präsidentschaftskandidat Barack Obama den Wahlkampf unter der Losung »Yes we can!« führte und Erfolg hatte mit dem Versprechen, einen »Wandel« herbeiführen zu wollen, setzten er und sein Kabinett seit der Amtsübernahme im Januar 2009 in einigen Punkten die politische Praxis seines Vorgängers George W. Bush fort. So weigerte er sich, Fotos veröffentlichen zu lassen, die US-Soldaten zeigen, wie sie Gefangene mißhandeln, mißbrauchen, foltern oder erniedrigen. Die von der Bush-Cheney-Regierung eingerichteten Militärgerichtstribunale sollen fortgesetzt werden, wenn auch mit einigen prozessualen Modifizierungen. Auch einige der »Black sites«, wie die von der CIA in mehreren ausländischen Staaten eingerichteten und verwalteten illegalen Geheimgefängnisse genannt werden, sollen bestehen bleiben. Außerdem werden die von der vorigen Regierung begonnenen Kriege fortgesetzt und wie im Fall Afghanistan sogar ausgeweitet. Diesem Krieg widmet das Weiße Haus seine volle Aufmerksamkeit und den Löwenanteil seines Militärhaushalts.
Schaut man sich die Wahlversprechen des Kandidaten der Demokratischen Partei und die heutige Politik der Obama-Regierung an, kann man nur sagen: Was für ein Unterschied! Es eine Sache, sich um eim Amt zu bewerben, und eine andere, es zu übernehmen und konkrete Politik betreiben zu müssen.
Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß seit der unseligen Regierung des 31. US-Präsidenten Herbert C. Hoover (1929–33) die abgewählte Bush-Regierung die größte Ansammlung von Schurken, Halunken und Wirtschaftskriminellen in sich vereinigte. Aber das spielt heute offensichtlich keine Rolle mehr. Ungeachtet aller Verbrechen, die von der Vorgänger-Regierung begangen wurden, ungeachtet der Gewalt, die der US-Verfassung angetan wurde, ungeachtet aller Geheimgefängnisse und Guantánamos wissen die dafür Verantwortlichen, daß sie weiterhin Immunität genießen. Das »Impeachment«-Gerede des Jahres 2008 über eine vorzeitige Amtsenthebung George W. Bushs war schnell vom Tisch, und niemand spricht heute mehr ernsthaft davon, einige dieser Kriminellen unter Anklage zu stellen. Warum? Einfache Antwort: So läuft halt das »politische Geschäft«. In Frankreich gibt es dazu eine passende Redensart, die in etwa lautet: Je mehr sich die Dinge angeblich verändern, desto mehr bleiben sie, wie sie sind.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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