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Kolumne 30.10.09: Besatzer scheitern immer

31.10.09 (von maj) Der Niedergang von Okkupationsmächten liegt in den Widersprüchen ihre Aufstiegs begründet

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 252 - 30./31. Okt./1. Nov. 2009

Die eskalierte Situation in Irak und Afghanistan und die Ausweitung des afghanischen Krieges auf Pakistan, aber auch die Situation in den von Israel besetzten Gebieten, aktuell wieder dramatisch ins Bewußtsein gerückt durch die Berichte über die systematische Unterversorgung der palästinensischen Bevölkerung von Gaza mit Trinkwasser, werfen tagtäglich aufs neue die Frage auf: Kann es überhaupt ein »gutes« Besatzungsregime geben? Und wenn die Frage mit ja beantwortet würde, für wen ist es dann gut – für den Besatzer oder für die Menschen im besetzten Land? Die Antwort auf die zweite Frage beantwortet automatisch auch die erste. Für den Besatzer ist die Lage in einem okkupierten Land nur dann gut, wenn das von ihm etablierte Regime möglichst wenig Widerstand im besetzten Land hervorruft und wenn die eigene Bevölkerung seine Politik und sein militärisches Vorgehen gutheißt oder zumindest stillschweigend duldet.
Für die Einwohner eines von fremden Mächten besetzten Landes kann es allerdings kein »gutes« Besatzungsregime geben. Ein solches Regime erzeugt völlig unabhängig von der Propaganda, die es legitimieren soll, unweigerlich einen nationalen Widerstand gegen die fremden Eindringlinge, wer immer sie auch sein mögen.
Jene zugewanderten Europäer, die sich vor der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika von 1772 als souveräne amerikanische Bürger begriffen, haben diese Situa­tion am eigenen Leib erfahren. Für sie waren die britischen Kolonisatoren, die weite Teile Nordamerikas beherrschten, Besatzer, gegen die es einen nationalen Widerstand zu organisieren galt. Nach dem Unabhängigkeitskrieg, der als amerikanische Revolution in die Geschichtsbücher einzog, führten die aus der zornigen Auflehnung gegen die Kolonialmacht gewonnenen Erkenntnisse unter anderem zum Abfassen des dritten Zusatzartikels zur US-Verfassung, der das Einquartieren von Soldaten in Privathäusern verbietet. Mit diesem Verfassungszusatz sollte verhindert werden, daß Soldaten je wieder in den Häusern der Bürger lebten, wie es britische Soldaten unter dem Schutz des Quartering Act (deutsch: Einquartierungsgesetz) vor der Erlangung der Unabhängigkeit der USA getan hatten.
Dabei sollten wir nicht vergessen, daß die Briten den Amerikanern so fremd nicht waren. Auch sie waren zumeist weiß, hingen dem gleichen christlichen Glauben an, und sie sprachen englisch. In vielen Fällen waren sie sogar direkt oder entfernt verwandt mit den Einwanderern und Siedlern in den Kolonien der Neuen Welt. Schaut man sich die Situation in Irak und Afghanistan unter sorgfältiger Beachtung der gravierenden Unterschiede analog zu den geschilderten Verhältnissen in Nord­amerika an, dann wird die Existenz der heute gegen die dortigen Besatzungsregime gerichteten Aufstandsbewegungen sofort verständlich.
Aus alledem folgt logischerweise, daß es kein Besatzungsregime geben kann, das »gut« für beide Seiten ist, denn beide Seiten verfolgen unterschiedliche Interessen. Deshalb ist die Besetzung Afghanistans zur Unterstützung des eingesetzten korrupten Marionettenregimes unter Hamid Karsai trotz aller Truppenverstärkungen zum Scheitern verurteilt. Es kann gar nicht anders sein, als daß sich ein nationaler Widerstand gegen diese Invasion ausländischer Mächte entwickelt. Bei gründlicher Betrachtung lehrt uns die Weltgeschichte, daß imperiale Mächte sich mit Invasionen und Besetzungen grundsätzlich schon immer mehr Feinde geschaffen haben als Freunde. Und letztlich haben Besatzungsregime vom Altertum bis in die Neuzeit gezeigt, daß sie in der Regel selbst die Probleme schufen und verschärften, die den wirtschaftlichen, politischen und militärischen Niedergang der Imperien einleiteten.

(Übersetzung: Jürgen Heiser)

 
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