Kolumne 12.12.09: Im Sinne des Erfinders
12.12.09 (von maj) Warum es konsequent ist, dem Kriegsherrn Obama den Friedensnobelpreis zu verleihen
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 288 - 12./13. Dezember 2009
Die Nachricht über die Verleihung des Friedensnobelpreises an den amtierenden US-Präsidenten Barack Obama hatte in den USA sowohl Dankesgebete als auch schrille Mißfallensbekundungen ausgelöst. Die einen sahen darin die angemessene Auszeichnung für einen relativ jungen Politiker, der vor einem Jahr in seinem Wahlkampf zahlreiche für unantastbar gehaltene gesellschaftliche Barrieren niedergerissen hat. Für die anderen, vor allem Konservative und Rechte, war der Preis dem Falschen zugesprochen worden, weil Obama in seinem Amt in neun Monaten noch nicht viel erreicht habe.
Beide Sichtweisen verkennen die Absichten, die das Nobelpreiskomitee mit dieser Preisverleihung verfolgt. Die fünf Mitglieder des Komitees sind Europäer, und wie die überwältigende Mehrheit der Menschen auf dem Kontinent sehen sie in Obama nicht nur den beliebten und gescheiten Politiker, sondern für sie gewinnt Obama vor allem an Bedeutung, weil sein Wirken im krassen Gegensatz zur Politik seines Vorgängers George W. Bush gesehen wird, der als »Kriegspräsident« in die Geschichte eingehen wird. Bushs Regierungszeit ist zum Inbegriff einer Epidemie imperialer Arroganz und eines reaktionären Nationalismus geworden. Ein neocon-Alptraum, der alle herabwürdigte, beschimpfte und bedrohte, die sich dem Willen Washingtons nicht beugten. Im Gegensatz zur Bush-Regierung hofiert Obama die europäischen Staatsführungen und versichert, daß sie für ihn nicht das »alte« Europa sind.
Der Friedensnobelpreis für Obama steht aber für mehr als die bloße Erleichterung darüber, daß der Name des Mannes, der nun das höchste Amt der USA im Oval Office innehat, nicht mehr Bush ist. Es ist ein Versuch, einem US-Präsidenten einen Anstoß zu geben, den Weg des Krieges zu verlassen und den des Friedens zu beschreiten. Deshalb wurde ihm der Friedensnobelpreis nach Lesart des Nobelkomitees nicht in erster Linie für das zugesprochen, was Obama getan hat, sondern in der Hoffnung und in Erwartung dessen, was er in Zukunft noch tun wird. Diese Deutung war auch notwendig, denn angesichts zweier heißer Kriege in Irak und Afghanistan, auf Pakistan abgefeuerter US-Raketen und mehr oder weniger offener Drohungen gegen die Islamische Republik Iran drängt sich einem nicht gerade das Wort »Frieden« auf. Auch die drei berüchtigten Foltercamps der USA – Guantánamo Bay, das Gefangenenlager auf der Bagram-Militärbasis in Afghanistan und das US-Gefangenenlager Diego Garcia auf der »Insel der Vergessenen« mitten im pazifischen Ozean – stehen nicht gerade für Humanität und Friedenswillen der US-Regierung.
Die internationale Friedensbewegung kritisiert deshalb zu Recht, daß Obama die Auszeichnung gerade in dem Moment erhält, in dem er die Ausweitung des Krieges in Afghanistan befiehlt. Diese Kritik am Friedensnobelpreis greift aber zu kurz. Denn eigentlich muß es sich doch als ein grundsätzlicher Widerspruch aufdrängen, wenn ein international renommierter Friedenspreis aus dem Vermögen einer Stiftung wie der des Sprengstoffherstellers Alfred Nobel gestiftet wird, deren Reichtum vor allem aus der Produktion von Rüstungsgütern stammt. Müssen wir vor diesem Hintergrund nicht einsehen, daß es nur konsequent ist, wenn in den Zeiten von kapitalistischer Krise, dramatischen Veränderungen des Weltklimas und Kriegen um Einflußzonen und Rohstoffgebieten dieser Preis ausgerechnet dem Regierungschef der größten Militärmacht der Welt verliehen wird, der die neuzeitlichen Kolonialkriege medienwirksam zu »gerechten Kriegen« verklärt und damit das Recht des Stärkeren zur moralischen Instanz erhebt?
Übersetzung: Jürgen Heiser
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