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Kolumne 20.02.2010: Kinder im Knast

20.02.10 (von maj) Wie Schutzbedürftige in den USA mißhandelt und zu Verbrechern gestempelt werden

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 43 – 20./21. Februar 2010

Der Justizskandal von Luzerne County, Pennsylvania, war zuletzt Ende Dezember 2009 Thema an dieser Stelle. Die Staatsanwaltschaft dieses Gerichtsbezirks hatte gegen zwei Richter ermittelt, weil ihnen vorgeworfen wurde, Tausende Jugendliche ohne Prüfung der Anklagevorwürfe zu Haftstrafen in einem Privatgefängnis verurteilt und dafür von der Betreiberfirma des Gefängnisses Schmiergelder erhalten zu haben. Der Skandal bescherte der Presse große Schlagzeilen. Was jedoch dabei unter den Tisch fiel, war der notwendige Blick hinter die Kulissen der Jugendstrafanstalten, in die man diese Jugendlichen warf.
Schauen wir uns zum Beispiel das Strafsystem des Bundesstaates New York genauer an. Nach dem Bericht eines Untersuchungsausschusses, den Gouverneur David Paterson eingerichtet hatte, ist diesem Apparat nahezu jeder erdenkliche Fehler vorzuwerfen. In den Anstalten, deren Zustand durchweg als »bedenklich« beschrieben wird, erhielten die Jugendlichen im Untersuchungszeitraum weder ausreichende persönliche Betreuung noch Schul- oder Berufsausbildung. Dafür waren aber Mißhandlungen an der Tagesordnung. Die Jugendlichen wurden vom Anstaltspersonal verprügelt, wobei ihnen Zähne ausgeschlagen und Knochen gebrochen wurden. Ein kaum dem Kindesalter entwachsener Jugendlicher starb sogar an seinen Verletzungen. Der Bericht schildert die Probleme als derart ernst, daß die Aufsichtsbehörde über die New Yorker Jugendstrafanstalten die Familien- und Jugendgerichte des Bundesstaates aufforderte sicherzustellen, daß diesen Strafanstalten keine weiteren Verurteilten zugeführt werden. Es sei denn, es gebe Einzelfälle, in denen eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten sei. Leider hat die Aufsichtsbehörde es versäumt, die einzig logische Konsequenz zu ziehen, nämlich die Jugendstrafanstalten sofort zu schließen!
Ein Gefängnisplatz für einen Minderjährigen kostet über 210000 US-Dollar pro Jahr. Damit ist das staatliche Strafsystem so teuer, wie es ineffektiv ist. Über die Hälfte der Jugendlichen war wegen geringfügiger Delikte wie Diebstahl oder Schulschwänzen verurteilt. Diesen Widersinn muß man sich vor Augen führen: Eine Gesellschaft verurteilt Jugendliche zu Gefängnisstrafen, weil sie nicht zur Schule gegangen sind, und dann erhalten sie in der Haft keinen Unterricht! Statt dessen müssen sie Zwangsarbeit leisten. Rund 76 Prozent aller jugendlichen Gefängnisinsassen des Bundesstaates stammen aus New York City. Und davon wiederum waren über 80 Prozent Schwarze oder Latinos. Man kann sich kaum ein System vorstellen, das rassistischer und ausbeuterischer ist. Nur der Bundesstaat Pennsylvania steht den Verhältnissen in New York wahrscheinlich in nichts nach.
Wie sehen die Zahlen für die gesamten USA aus? Zum Zeitpunkt der Volkszählung von 2000 waren in den USA 133610 Personen unter 18 Jahren in Gefängnissen und Jugendstrafanstalten eingesperrt, darunter überproportional viele Afroamerikaner. 26650 der nicht volljährigen Inhaftierten waren Mädchen. 76890 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren saßen ihre Zeit in Jugendstrafanstalten und 21 130 in regulären Gefängnissen ab. 35 590 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren lebten in Jugendstrafanstalten. Weitere Statistiken belegen, daß im Jahr 2003 in 117 Jugendstrafanstalten Kinder unter 11 Jahren festgehalten wurden.
Wie der Bericht über New York deutlich zeigt, werden Kinder und Jugendliche einem brutalen Gefängnisalltag unterworfen, weil die Behörden im öffentlichen Dienst »Arbeitsplätze sichern« wollen. Sie werden dabei nicht immer so offen für die privaten Profite korrupter Richter wie in Luzerne County ausgebeutet. Aber es sagt so oder so alles über eine Gesellschaft, wie sie mit ihren Ärmsten und mit ihren Kindern und Jugendlichen umgeht, die eigentlich ihren besonderen Schutz genießen sollten.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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