Kolumne 6.03.2010: Politiker kaufen
06.03.10 (von maj) Wer das Geld hat, hat die Macht. Dafür sorgen nicht nur in den USA die entsprechenden Gesetze
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 55 – 6./7. März 2010
In den USA hat eine kürzlich vom Obersten Gerichtshof gefällte Grundsatzentscheidung erneut die Debatte darüber angeheizt, ob es richtig ist, daß Unternehmen als juristischen Personen die gleichen Rechte eingeräumt werden wie natürlichen Personen. Im Fall Citizen’s United v. Federal Election Commission (Bundeswahlkommission) hatte das höchste US-Gericht am 21. Januar 2010 entschieden, die Rechte von Unternehmen bei der Parteienfinanzierung zu stärken und auszuweiten. In einer knappen Entscheidung von fünf zu vier hob das neunköpfige Richtergremium nicht nur eine frühere Entscheidung desselben Gerichts aus dem Jahr 2003 auf, die eine Erweiterung der Unternehmensrechte verneint hatte, sondern es ging auch weit über das hinaus, was die prozeßführende Partei zum Wohle der Unternehmen erreichen wollte. Ab jetzt dürfen auch Unternehmen, die bekanntlich generell über viel größere finanzielle Mittel verfügen als Einzelpersonen, ganz legal Politiker mit Spenden in unbegrenzter Höhe unterstützen.
In der öffentlichen Kontroverse zeigt sich, daß viele diesen Gedanken ungeheuerlich finden. Warum eigentlich? Selbstverständlich hat die Öffentlichkeit das Recht, empört zu sein, aber wir sollten genau untersuchen, ob diese Empörung inhaltlich gerechtfertigt ist. Denn eine Sache liegt auf der Hand: im Verlauf der zurückliegenden hundert Jahre hatte das große Geld den gesamten politischen Prozeß in den USA samt allen Politikern schon immer fest im Griff.
Matthew Josephson (1899–1978) schilderte in seinem Buch »The Robber Barons« (Die Raubritter), wie Großindustrielle in den USA Politiker kauften und nicht einmal davor zurückschreckten, ihnen auf den Fluren der Parlamente mit Geld gefüllte Taschen zu überreichen!
Heutzutage läuft die Bestechung nicht mehr so offen ab, aber die Gunst der Politiker wird immer noch gekauft wie eine Ware. Bei den modernen Wahlkämpfen für das Präsidentenamt, für Abgeordnetensitze im Kongreß oder Ämter in der Justiz geht es vor allem darum, große Finanzbudgets zu erhaschen. Denn nur wer genug Geld im Rücken hat, kann sich auch Sendezeit oder Aufmacherartikel der Medien kaufen. Und es sind letztlich die Medien, die über die Wahlkämpfe entscheiden.
Die aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs begünstigt den Geldfluß der Unternehmen in Richtung Politik. Im Grunde besagt sie: Ihr könnt die Politiker nicht nur mieten, ihr könnt sie sogar kaufen und besitzen. Ein nicht geringer Anteil dieser Gelder landet bei den Medienkonzernen. Was ist die Gerichtsentscheidung also anderes als ein Stimulus für die Einflußnahme der Medien auf die Politik?
In den 1880er Jahren, also in der Ära der Wirtschaftskapitäne, die als »Raubritter« in die Geschichte eingegangen sind, sah sich der Multimillionär Andrew Carnegie mit Klagen zur Eindämmung der aggressiven Exzesse seines Firmenimperiums konfrontiert. Er erklärte dazu lapidar: »Was kümmern mich Gesetze? Habe ich nicht die Macht, zu tun und zu lassen, was ich will?« Der Oberste Gerichtshof hat nun das passende Gesetz nachgeliefert.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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