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Kolumne # 527 vom 29.01.2011: Imperialer Wahnsinn

29.01.11 (von maj) Teile der US-Elite versuchen sich an Plänen, die Geschwindigkeit der Kriegsmaschine zu drosseln

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 24 – 29./30. Jan. 2011

Weil sich die imperialen Kriege der USA in Irak und Afghanistan quälend dahinschleppen, machen sich bestimmte Kreise der US-Elite Gedanken darüber, wie eine Welt aussehen könnte, in der solche Fehler nicht mehr wiederholt werden. Vorübergehend waren derartige Stimmen schon einmal in der Folge des Vietnamkrieges zu hören gewesen, aber natürlich war das nicht von langer Dauer. Das kommt in Imperien auch nur äußerst selten vor, weil das Verlangen, sich fremder Nationen zu bemächtigen, einfach zu groß ist.
Leslie H. Gelb, emeritierter Präsident des Rates für Auswärtige Beziehungen (Council on Foreign Relations/CFR) und ehemals Kolumnist der New York Times, schrieb einen Artikel für die vorletzte Ausgabe der vom CFR herausgegebenen Zeitschrift Foreign Affairs (November/Dezember 2010), in dem er sich dafür aussprach, der Macht des Geldes eine Priorität gegenüber der Macht der Waffen einzuräumen. Unter dem Titel »GDP Now Matters More Than Force: A U.S. Foreign Policy for the Age of Economic Power« (Bruttoinlandsprodukt heute wichtiger als Stärke: Eine Außenpolitik der USA für das Zeitalter wirtschaftlicher Macht) spricht Gelb sich für Regeln aus, nach denen künftige Kriege geführt werden sollen:
»Bodenkriege sollten nur dann geführt werden, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind: Die Bedrohung geht eindeutig von einem bestimmten Land aus und stellt eine klare Gefahr für die Sicherheit der USA dar. Diese Bedrohung kann nur durch Bodenstreitkräfte neutralisiert werden, und sie können das innerhalb weniger Jahre und zu vertretbaren Kosten erreichen. Die Bevölkerung vor Ort kämpft für sich selbst, wobei sie den Einsatz [des US-Militärs] nach Kräften unterstützt und von Beginn an begriffen hat, daß sie sich um ihre eigene Verteidigung kümmern muß. Außerdem sollten die Vereinigten Staaten beim Kampf gegen Bedrohungen an den bewährten Methoden von Hilfeleistungen und Diplomatie festhalten. Die Kriege in Afghanistan und Irak haben zusammen bislang fast drei Billionen US-Dollar gekostet, Tendenz steigend. Auch wenn die Gesamtausgaben dieser Kriege für immer strittig bleiben werden, sind die Kosten für die US-Wirtschaft klar zu umreißen.«
Die von Gelb aufgestellten Regeln entstammen zweifellos seinen Reflexionen über die Kriege in Irak und Afghanistan, aber sie beziehen sich schon auf die künftigen Feldzüge und nicht mehr die Kriege, in die die USA heute verstrickt sind. Gelbs Erörterungen sind aber noch mehr: Sie sind eine Stellungnahme aus Kreisen der Elite, in der sich Kriegsmüdigkeit und vielleicht sogar wirtschaftliche Erschöpfung ausdrücken.
Ein Imperium gesteht normalerweise nicht ein, wo seine Grenzen liegen, denn es gehört zu seinem Wesen, daß ihm nicht nur immense Macht erwächst, sondern daß es sie auch mit blinder Hemmungslosigkeit ausübt.
Worauf Gelb also eigentlich hinweisen will, ist die Notwendigkeit, diesen imperialen Wahnsinn zu stoppen, und er bietet deshalb sein Regelwerk als Hilfsmittel an, mit dem sich die Geschwindigkeit der Kriegsmaschine zumindest drosseln ließe.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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