Kolumne # 546 vom 11.06.2011: Zeitalter der Heuchler
12.06.11 (von maj) Die Taliban – vom Westen aufgebaut, vom Westen bekriegt: Aus Gier nach Öl und Macht
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 133 – 11./12./13. Juni 2011
Nachdem Osama bin Laden am 2. Mai 2011 in Abbottabad nahe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad erschossen worden war, brachten Sprecher US-amerikanischer Thinktanks und diverse Fernsehkommentatoren in Umlauf, Pakistan spiele angeblich ein doppeltes Spiel mit den USA. Außerdem warf man dem Land Doppelzüngigkeit im Krieg gegen den Terror vor.
Diese Lesart ist einseitig, und sie greift zu kurz, weil sie die alte Maxime ignoriert, daß Nationen keine Freunde kennen, sondern nur eigene Interessen. Aber alle Nationen reden heuchlerisch von »Verbündeten« oder »Freunden«, doch das sind nur Worte, denn eigentlich meinen sie »Untergebene« oder »Knechte«.
Wenn wieder einmal so ein Krawattenträger über den »Krieg gegen den Terror« daherschwadroniert, dann sollte man sich an das folgende Zitat erinnern. Am 10. September 2002 hatte der Kongreßabgeordnete der Demokratischen Partei, Jim McDermott, in der CNN-Fernsehsendung »Crossfire« erklärt: »Wenn wir über die amerikanische Politik [in Afghanistan, d.Red.] sprechen, sollten wir uns daran erinnern, daß wir es waren, die die Taliban dorthin gebracht haben. Wir haben sie mit Geld ausgestattet, wir haben sie mit Hilfe der Pakistanis finanziert. Wir hätten den Geldfluß jederzeit beenden und alles stoppen können, was dort passierte. Wir wußten ganz genau, was dort los war. Aber uns war an einem stabilen und ruhigen Afghanistan gelegen, um unsere Öl- und Gaspipelines durch das Land bauen zu können. Darum ging es uns in Wahrheit.«
Die Taliban, Vorläufer von Al-Qaida, wurden von der CIA, dem pakistanischen Geheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI) und dem britischen Auslandsgeheimdienst MI-6 stark gemacht. Für Pakistan sollten die Taliban als Puffer gegen die Macht der afghanischen Paschtunen und als ein potentielles Kriegsmittel gegen Indien fungieren. Und den USA und dem britischen Königreich sollten die Taliban als Waffe gegen die von der Sowjetunion gestützte Regierung in Kabul dienen.
Haben wir vergessen, daß der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan die Taliban-Mudschaheddin damals wegen ihres entschlossenen Kampfes gegen die Sowjetarmee als »das moralische Äquivalent zu unseren Gründungsvätern« bezeichnete?
Der Autor Stephen Kinzer, Veteran unter den Korrespondeten der New York Times, zitiert in seinem 2006 veröffentlichten Buch »Overthrow: America’s Century of Regime Change from Hawaii to Iraq« (Umsturz: Amerikas Jahrhundert des Regimewechsels von Hawaii bis Irak) einen weltlichen Politiker aus Afghanistan, der sich mit folgenden Worten an die US-amerikanische Öffentlichkeit wandte: »Um Himmels willen, ihr finanziert eure eigenen Meuchelmörder!« Die Taliban standen Pate bei der Geburt von Al-Qaida – und der Rest ist Geschichte. Auch für die Kriege, die seitdem begonnen wurden, tragen die USA die Verantwortung. Diese Kriege werden für Dominanz geführt, nicht für »Demokratie«. Für die Beherrschung des Ölmarktes, und nicht für »freie Märkte«. Für Rohstoffe, und nicht für Menschenrechte.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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