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»Wie in einem Tierkäfig«

04.12.12 (von ivk-jw) USA: Bradley Manning schildert seine Haftbedingungen. Prozeßbeginn verschoben

Aus: junge Welt Nr. 282 – 4. Dezember 2012 / Von Jürgen Heiser

Der Prozeß gegen den mutmaßlichen Informanten der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks, Bradley Manning, wird einen Monat später als ursprünglich geplant beginnen. Die Verhandlung soll somit im März 2013 beginnen, wie eine Militärrichterin in Fort Meade im US-Bundesstaat Maryland am Sonntag bekanntgab. Als Grund nannte die Richterin, daß die Justiz mehr Zeit brauche, um die von Anklage und Verteidigung vorgebrachten Argumente zu prüfen.
In der vergangenen Woche ergriff Manning zum ersten Mal seit Beginn der seit einem Jahr laufenden Anhörungen vor dem Militärgericht in Fort Meade selbst das Wort. Ende der Woche sagte der ehemalige Nachrichtenanalyst der US-Armee über seine Haftbedingungen aus. Er beantwortete Fragen seines Hauptverteidigers David Coombs, nach dessen Einschätzung die Isolierung und Drangsalierung seines Mandanten in der Haft eine gesetzwidrige Bestrafung ohne Urteil darstelle, die zwingend zur Einstellung des Verfahrens führen müsse.
Der 24jährige Obergefreite berichtete, wie er nach seiner Ende Mai 2010 in Bagdad erfolgten Verhaftung auf einen US-Stützpunkt in Kuwait gebracht und in einen Metallverschlag gesperrt wurde, in dem er sich »wie in einem Tierkäfig« gefühlt habe. Das sei für ihn eine traumatische Erfahrung gewesen. Niemand habe ihm gesagt, was gegen in vorliege. Die Ungewissheit und völlige Isolation habe in derart desorientiert, daß er glaubte, er werde in Kuwait sterben. Als er dann verlegt wurde, habe er angenommen, Ziel sei das US-Kriegsgefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba.
Statt dessen sei er aber Ende Juli 2010 im Gefängnistrakt des Marinestützpunkts Quantico, Virginia, gelandet. Dort sei er wegen angeblicher Selbstmordgefahr sofort totalisoliert worden. Alle fünf Minuten habe ein Wärter nach ihm gesehen. Er sei nur mit einem groben Drillichkittel bekleidet gewesen und habe auf einer schmalen unbequemen Matratze auf dem Boden schlafen müssen. Ein Kopfkissen sei ihm verweigert worden. 24 Stunden habe in seiner 1,80 mal 2,40 Meter großen Zelle eine Neonröhre gebrannt. Wenn er versucht habe, beim Schlafen das Gesicht zur Wand zu drehen, sei er von Wärtern geweckt und gefragt worden, ob mit ihm »alles in Ordung« sei. Tageslicht habe er nur während der 20 Minuten Einzelhofgang gesehen. Die Zellen neben seiner seien leer gewesen, er habe aber auch nicht laut sprechen dürfen, um sich wenigstens durch Zuruf mit Gefangenen am anderen Ende des Trakts zu verständigen. Da jede menschliche Interaktion verhindert wurde, habe er zunehmend Ängste aufgebaut. Auf Interventionen der Armeepsychiater zur Lockerung seiner Haftbedingungen sei nicht reagiert worden (jW berichtete). Die strikte Isolierung sei trotz Änderung seines »Suizid-Status« für den Rest seiner neunmonatigen Haft in Quantico beibehalten worden.
Nach Protesten gegen seine Haftbedingungen vor den Toren der Marinebasis im Januar 2011 habe die schroffe Behandlung durch die Wärter zugenommen. Er sei angebrüllt worden, und man habe ihm widersprüchliche Befehle erteilt, um ihn zu verwirren. Das habe ihn in Panik versetzt, so Manning, und sei soweit getrieben worden, bis er beim Hofgang unter Tränen zusammengebrochen sei. Danach habe er seine gesamte Kleidung abgeben müssen und sei wieder als selbstmordgefährdet eingestuft worden. Er habe von da an nackt in seiner Zelle ausharren müssen und nur tagsüber seine Boxershorts tragen dürfen.
Die von Manning in der Anhörung geschilderten Haftbedingungen hatten während der ersten Monate des Jahres 2011 zu verstärkten juristischen Schritten der Verteidigung und wachsenden Protesten geführt. Britische Parlamentarier, Amnesty International und vor allem der UN-Sonderbeauftragte für Folter, Juan E. Mendez, hatten sofortige Hafterleichterungen gefordert. Die internationale Kritik hatte schließlich dazu geführt, daß Bradley Manning am 20. April 2011 in das Militärgefängnis Fort Leavenworth, Kansas, verlegt wurde, wo er bis heute untergebracht ist und sich seine Haftsituation »gewaltig verbessert« habe, so Manning jetzt im Zeugenstand.

 
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