Kolumne # 676 vom 7.12.2013: Willkür statt Recht

07.12.13 (von maj) Neun Move-Mitglieder aus Philadelphia seit über 35 Jahren unschuldig im Gefängnis

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 284 – 7./8. Dez. 2013

Es passierte vor langer Zeit, genauer gesagt am 8. August 1978, also vor mehr als 35 Jahren. Damals überfiel die Polizei von Philadelphia das Wohnhaus und Hauptquartier der religiös ausgerichteten Move-Organisation im Stadtteil Powelton Village von West-Philadelphia und schoß Hunderte Salven aus ihren Waffen auf das Gebäude. Als die Move-Mitglieder gezwungen wurden, aus dem Haus zu kommen, waren die meisten von ihnen unverletzt. Nachdem sie aber das Grundstück verlassen hatten und in die Hände der Polizei geraten waren, wiesen einige von ihnen erstaunlicherweise schwere Verletzungen auf.
Im Prozeß wurden die Verhafteten – fünf Männer und vier Frauen – nach monatelangen Verhandlungen wegen Totschlags zu 30 bis 100 Jahren Gefängnis verurteilt. Noch nie zuvor war in der langen Geschichte des US-Bundesstaats Pennsylvania für dieses Delikt eine solch hohe Strafe verhängt worden. Vor allem nicht gegen Unschuldige, die für den Tod eines Polizisten verantwortlich gemacht wurden, der im »friendly fire« seiner Kollegen umgekommen war. Aber für den inzwischen verstorbenen Richter Edwin Malmed machte das keinen Unterschied. Wie er nach dem Prozeß gegenüber der Presse erklärte: »Sie wurden als Familie vor Gericht gestellt, deshalb habe ich sie auch als Familie verurteilt.«
Bis heute befinden sich die Frauen und Männer der Move-Organisation im Knast – fünf Jahre nach der ersten Möglichkeit, ihre Strafen zur Bewährung auszusetzen. Dabei spielt es keine Rolle, wie sie sich verhalten oder was in ihren Gefangenenakten steht. Fest steht, sie haben sich in der Haft vorbildlich geführt. Aber weil sie sich nicht von Move losgesagt haben, kommt Bewährung für sie nicht in Frage. Sie hatten sogar schon Anhörungen vor dem Bewährungsausschuß, aber das einzige, was dabei herauskam, waren weitere Ablehnungen ihrer Anträge auf bedingte Entlassung.
Die »Move 9« wurden von Polizei und Behörden aus politischen Gründen angegriffen, aus politischen Gründen angeklagt und wegen ihres Lebensstils verurteilt. Die Tatsache ihrer Unschuld interessierte dabei niemanden. Und nun, fünf Jahre nachdem sie auf Bewährung hätten freikommen können, bleiben sie weiter aus politischen Gründen in Haft. Wer wollte da noch leugnen, daß sie politische Gefangene sind, die verfolgt werden, weil sie aus religiösen Motiven an die Lehren des Move-Gründers John Africa glauben? Sie sind also in Wahrheit Gefangene, die man wegen ihres Glaubens eingesperrt hat. Es ist höchste Zeit, daß sie freigelassen werden.


Übersetzung: Jürgen Heiser


Ausdruck von: http://freedom-now.de/news/artikel1079.html
Stand: 24.11.2024 um 00:45:27 Uhr