Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 195 – 23./24. August 2014
Abermals ist ein unbewaffneter schwarzer Jugendlicher von einem Polizisten erschossen worden. Und wenn auch die genauen Fakten rund um den Vorfall gegenwärtig noch ungeklärt sind, ist eine Sache völlig klar: Ein Polizist in Ferguson, Missouri, hat zahlreiche Schüsse auf den 18jährigen Michael Brown abgegeben und ihn sechsmal getroffen. Nach Aussage von mindestens einem Zeugen wurde Brown tödlich getroffen, als er mit erhobenen Händen auf der Straße stand.
Wer sich in der US-amerikanischen Geschichte einigermaßen auskennt, für den ist dieser Vorfall keine Seltenheit. Das ist der Zweck, den die Polizei in diesem Land erfüllt: die schwarze Bevölkerung systematisch zu unterdrücken, zu verfolgen und zur Zielscheibe ihrer Gewalt zu machen. So läuft das hier seit Generationen.
Und jetzt werden wir wieder erleben, wie sie aufkommen, die Stimmen, die dazu auffordern, Ruhe zu bewahren, jetzt, da es den Schwarzen vor Empörung ihre Herzen zerreißt angesichts der abscheulichen Behandlung, die ihnen widerfährt. Niemals verlangen die, die jetzt wieder zur Ruhe auffordern, nach wahrer Gerechtigkeit, denn Gerechtigkeit gibt es nicht ohne Gleichheit. Warum wagen diese Stimmen es nicht, für Polizisten eine Behandlung zu verlangen, die genau der entspricht, die sie täglich ihren Opfern zufügen?
Sie wagen es nicht, weil sie wissen, daß sie überhaupt keinen Einfluß auf die repressiven Sicherheitskräfte haben. Und in der Tat ist es so, daß es nicht eine einzige politische Institution in den Vereinigten Staaten von Amerika gibt, die einen solchen Einfluß hätte. Die Politiker sind entweder gekauft, oder sie haben nichts zu sagen – oder beides. Hört sie euch an, die Stimmen der »schwarzen« Politiker. Ja, und wahrlich, hört genau zu, wenn die weißen Politiker ihre Stimmen erheben. Hört die rasende Stille im Land.
Was wir in den Vororten von St. Louis, Missouri, brauchen – und was wir in jeder schwarzen Gemeinde in den USA brauchen – sind unabhängige und kompromißlose Kollektive schwarzer Revolutionäre, die entschlossen sind, Leben und Wohlergehen der schwarzen Bevölkerung zu schützen. Punkt. Die heute existierenden politischen Strukturen und Organisationen – die jetzt schweigen angesichts der Gewalttätigkeiten, die wir erleben müssen – haben uns im Stich gelassen, und wir werden sie kaum dazu bringen, sich für unsere Interessen stark zu machen. Es ist an der Zeit, unsere Lehren daraus zu ziehen, an unsere Zukunft zu denken und das aufzubauen, was notwendig ist, um unsere ureigensten Interessen durchzusetzen.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Link zu einem dazu passenden Artikel in junge Welt Nr. 195 vom 23./24. August 2014:
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