Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 230 – 4./5. Oktober 2014
Er hieß Herman Ferguson, und bei denen, die sich nicht gut auskennen in der Bewegung der schwarzen Nationalisten, wird es nicht klingeln, wenn sie diesen Namen hören. Die Eingeweihten jedoch, denen es vergönnt war, die Black-Power-Bewegung der 1950er bis 1970er Jahre aufmerksam zu verfolgen, sind bestens vertraut mit Herman Fergusons Rolle in dieser Bewegung, seinem Lebenswerk und seinem unermüdlichen Engagement.
Gemeinsam mit seiner Frau und Genossin Iyaluua Nehanda schloss sich Herman Ferguson in den USA Gruppen an, die den Freiheitskampf der Schwarzen führten. Deren gab es einige, aber nur wenige erlangten eine historische Bedeutung wie die Organisationen »Muslim Mosque Inc.« und »Organization of Afro-American Unity« (OAAU). Gegründet wurden beide 1964 von Malcolm X nach seiner in einem schmerzhaften Prozess von der »Nation of Islam« (NOI) vollzogenen Trennung. Ferguson hatte Malcolm X schon in den späten 1950er Jahren kennengelernt, als dieser noch Mitglied der NOI war, und wurde später zu einem seiner engsten Mitarbeiter.
1967 verhaftete die New Yorker Polizei Ferguson und 17 weitere Mitglieder des »Jamaica Rifle & Pistol Club« unter der Beschuldigung, die Ermordung zweier prominenter Anführer der Bürgerrechtsbewegung geplant zu haben. (Wie FBI-Akten erst nach Jahrzehnten offenbarten, stand Ferguson seit 1965 wegen seiner Mitarbeit in der OAAU unter permanenter Überwachung der US-Bundespolizei. Die angeblichen Mordpläne gingen aber auf das Konto des Undercoveragenten Edward Lee Howlette, der in den »Jamaica Rifle & Pistol Club« eingeschleust worden war und dessen Mitglieder erfolglos zur »Beseitigung von Onkel Toms«, wie mutmaßliche Verräter genannt wurden, drängte. Im Prozess trat Howlette dann gegen Ferguson und einen Mitangeklagten als Kronzeuge der Anklage auf und ermöglichte das Urteil; Anm. d. Red.)
Nach seiner Verurteilung im darauffolgenden Jahr zu einer »Gummistrafe« von dreieinhalb bis sieben Jahren Gefängnis setzte sich Ferguson ins Ausland ab. Am 2. Juli 1970 erhielt er in der 1966 unabhängig gewordenen südamerikanischen Republik Guayana Asyl und lebte dort in den folgenden 19 Jahren unbehelligt mit seiner Frau, die im Erziehungsbereich arbeitete. Unter seinem neuen Namen Paul Adams hätte Ferguson dieses Leben fortsetzen und eine ansehnliche Pension genießen können, weil er viele Jahre als Oberstleutnant in den Streitkräften Guayanas gedient hatte.
Im Laufe der Jahre war jedoch die Stimme der Heimat in ihm immer lauter geworden. Ferguson sagte, er vermisse seine Familie und seine Freunde aus Kindertagen – »und die Bewegung«. Seine Frau Iyaluua Nehanda erklärte dazu: »Viele Leute verstehen nicht, was es bedeutet, im Exil zu leben. Exil bedeutet Tod.« 1989 kehrte Ferguson mit seiner Frau in die USA zurück, obwohl er wusste, dass ihn dort eine Gefängniszelle erwartete.
Noch am Flughafen wurde Ferguson von der New Yorker Polizei verhaftet, saß drei Jahre ab, musste noch zwei weitere Jahre als Freigänger nachts ins Gefängnis zurückkehren und stand zusätzlich noch zwei weitere Jahre unter Bewährungsauflagen. Draußen widmete er sich der Arbeit zur Durchsetzung von Reparationszahlungen für die Zeit der Sklaverei und engagierte sich tatkräftig für andere politische Gefangene, indem er öffentlich das Wort für sie ergriff und Unterstützergruppen organisierte.
Über 50 Jahre kämpfte Herman Ferguson für dieselben politischen Ideen und Prinzipien, für die auch Malcolm X eingetreten war: Schwarzer Nationalismus, Selbstverteidigung des Volkes und Selbstbestimmung für die schwarze Bevölkerung. Am 25. September starb »Baba« Herman Ferguson im Alter von 93 Jahren im Kreis seiner Familie und Genossen und machte sich auf den Weg zu seinen Vorfahren.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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* Die Kolumne von Mumia Abu-Jamal erscheint künftig immer montags an dieser Stelle in junge Welt.