Link zum Artikel in junge Welt Nr. 45 vom 23. Februar 2015: Bitte HIER klicken![1]
Gefangenenaufstand in Texas
In einem US-Bundesgefängnis in Raymondville im südlichen Texas ist am Freitag morgen (Ortszeit) ein Gefangenenaufstand ausgebrochen, an dem sich rund 2.000 der 2.881 Insassen beteiligen, wie die San Antonio Express-News melden. Das Willacy-County-Bundesgefängnis befindet sich nicht weit von der Grenze zu Mexiko entfernt und ist vorwiegend mit Flüchtlingen und illegalen Einwanderern von dort und aus anderen mittelamerikanischen Ländern belegt. Die Gefangenen protestieren mit ihrer Meuterei vor allem gegen ihre medizinische Nichtversorgung in der von der »Management & Training Corporation« (MTC) betriebenen Einrichtung. Der Konzern MTC betreibt im Auftrag der US-Bundesgefängnisbehörde »Federal Bureau of Prisons« (BOP) mehrere Haftanstalten entlang der Grenze, in denen die Insassen auf ihre Abschiebung oder ihre Verfahren wegen illegaler Einwanderung, Drogen- oder Menschenschmuggel warten.
Der Aufstand begann mit einer kleinen Gruppe Inhaftierter, die sich weigerte, das Frühstück einzunehmen und sich zur Arbeitsaufnahme zu melden. Innerhalb kurzer Zeit schlossen sich dann immer mehr unzufriedene Insassen an. Dabei gingen drei von zehn Wohnbaracken in Flammen auf, mehrere Zelte, die ebenfalls der Unterbringung dienen, wurden niedergerissen. Es gelang den nur mit Knüppeln und Stangen zu ihrer Verteidigung ausgerüsteten Gefangenen schließlich, bis zur äußeren Umzäunung durchzubrechen, die wegen ihrer breiten Krone aus messerscharfem NATO-Draht kaum zu überwinden ist. Am Zaun prangerten sie in lauten Sprechchören die Missstände an und brachten ihren Zorn zum Ausdruck.
Rasch zusammengezogene Einheiten lokaler, Staats- und Bundespolizei errichteten eine zusätzliche Absperrung rund um die gesamte Anlage, um einen Massenausbruch zu verhindern. Parallel dazu wurden alle Behörden der Umgebung alarmiert. Die Schulverwaltung des Bezirks Willacy County ließ drei nahegelegene Schulen abriegeln und schließen.
Ed Ross, offizieller Sprecher des BOP, hatte laut der Onlineausgabe der New York Times (NYT) von Sonntag den Gefängniskomplex bereits am Samstag als »unbewohnbar« bezeichnet. Alle Insassen, die zumeist »wegen geringer Vergehen und illegalem Grenzübertritt« inhaftiert seien, würden unverzüglich auf andere Anstalten verteilt, sobald die Verhandlungen abgeschlossen seien. Entsprechende Treffen mit Vertretern der Insassen liefen seit Samstag, wie Issa Arnita von MTC laut NYT berichtete. Den Inhaftierten sei es zu keiner Zeit gelungen, die äußere Umzäunung zu durchbrechen. Die Aufsicht habe »mit nichttödlicher Gewalt und Tränengas, versucht, die widerspenstigen Straftäter unter Kontrolle zu bringen«. Vom Wachpersonal sei niemand verletzt oder als Geisel genommen worden.
Beamte des BOP und der Bundespolizei FBI waren auch am Sonntag noch vor Ort und überwachten den Fortgang der Verhandlungen. Michelle Lee vom FBI nannte das Verhalten der Insassen »kooperativ«. Sie zeigten sich »interessiert, das Problem zu lösen«. Stellungnahmen von MTC oder der Gefängnisbehörde zu den Vorwürfen der Gefangenen über ihre Haftbedingungen lagen bei Redaktionsschluss am Sonntag noch nicht vor.
Das 200 Kilometer von San Antonio gelegene Privatgefängnis war ursprünglich als »Zeltstadt« erbaut und von den US-Grenzschutzbehörden dazu genutzt worden, illegale Einwanderer bis zu ihrer Abschiebung zu internieren. Nach zunehmenden Beschwerden über Misshandlungen war das Lager jedoch 2011 geräumt und geschlossen worden, einen Monat später aber als Gefängnis für »straffällige Ausländer« von der MTC ausgebaut und wieder in Betrieb genommen worden. In ihrem Bericht »Eingelagert und vergessen: Immigranten in der Falle unseres Systems privater Schattengefängnisse« hatte die »American Liberties Union« im Juni 2014 bereits massive Kritik an dem Gefängnis geübt. Die Insassen seien »krasser Überbelegung und Verwahrlosung ausgesetzt«.
Jürgen Heiser