Kolumne # 757 vom 22.06.2015: Demokratie für Millionäre

22.06.15 (von maj) Geld macht es wohlhabenden Politikern leicht, ohne Umwege zum Ziel zu kommen und sich politische Macht zu erkaufen

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 141 vom 22. Juni 2015: Bitte HIER klicken![1]

Demokratie für Millionäre
Es scheint fast unglaublich, dass in den USA erneut Familienmitglieder aus den beiden Clans der Bushs und Clintons das höchste politische Amt im Land anstreben – das des Präsidenten oder der Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika. Es sagt viel aus über die Dekadenz US-amerikanischer Politik und die Privilegien, die sie für die Reichen bereithält, dass zwei Familien, aus denen bereits mehrfach frühere US-Präsidenten hervorgegangen sind, jetzt schon wieder kurz davor stehen, jemanden aus ihrer Sippe ins Weiße Haus zurückkehren zu lassen. Und das nicht etwa wegen ihrer realen Verdienste um Land und Leute, sondern allein wegen ihres hohen Bekanntheitsgrades. Sollten sie denn wirklich unter den mehr als 320 Millionen US-Bürgern die einzigen sein, die fähig sind, geeignete Kandidaten ins Rennen um das Präsidentenamt zu schicken?
Zweifellos verfügen diese beiden Familien über ein außerordentliches Vermögen, das sie mindestens zu Millionären macht. Was die Finanzierung betrifft, wird auch der aktuelle Wahlkampf von einer Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA beeinflusst. Im Verfahren »Citizens United gegen Bundeswahlkommission« hatte das höchste US-Gericht im Januar 2010 festgelegt, dass Unternehmen künftig die gleichen Rechte genießen wie natürliche Personen: Auch sie dürfen Kandidaten mit hohen Wahlkampfspenden unterstützen. Damit wird Geld zum Hauptargument im Wahlkampf und öffnet Tür und Tor, um Politiker praktisch an den größten Spender zu verschachern. Für wohlhabende Politiker wird es so ein Leichtes, ohne Umwege zum Ziel zu kommen und sich die politische Macht zu erkaufen. Warum sollte uns das überraschen in einer Nation, in der die Parlamentarier des Senats in Washington D.C. mehrheitlich einen Club der Millionäre bilden?
Das gesellschaftliche System der Vereinigten Staaten von Amerika, die sich ständig selbst wegen der Freiheiten rühmen, die jeder durchschnittliche US-Bürger angeblich genießt, ist in Wahrheit käuflich – käuflich für jene, die es sich finanziell leisten können, prestige- und machtvolle Ämter zu bekleiden. Für durchschnittliche US-Bürger hingegen ist und bleibt dies reine Illusion. Wir leben in einem Land, dessen industrielle Hochzeit Vergangenheit ist und das seine Produktionsstätten samt Abertausenden Arbeitsplätzen infolge des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) ins Ausland ausgelagert hat. Die Mehrheit seiner Bürger kämpft täglich um ihr wirtschaftliches Überleben, indem sie versucht, sich mit haarsträubend niedrigen Löhnen im Dienstleistungsgewerbe durchzuschlagen. Diese Menschen können nicht einmal davon träumen, sich in ein politisches Amt wählen zu lassen. Es bleibt den US-amerikanischen Dynastien vorbehalten – den Reichen und Superreichen –, sich neue schillernde Luftblasen zu erkaufen, mit denen sie ihren Familienstammbaum weiter schmücken.

Übersetzung: Jürgen Heiser


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[1] http://www.jungewelt.de/2015/06-22/012.php

Ausdruck von: http://freedom-now.de/news/artikel1266.html
Stand: 24.11.2024 um 00:23:03 Uhr