Kolumne # 799 vom 11.04.2016: Porngate

11.04.16 (von maj) Richter sind alle »tough on crime« und gehen solange »hart gegen das Verbrechen« vor, bis sie selber ertappt werden

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 84 vom 11. April 2016: Bitte HIER klicken![1]

Porngate
Den meisten Menschen außerhalb Pennsylvanias wird der Name J. Michael Eakin nichts sagen. Aber unter Richtern war Eakin ein Superstar. 20 Jahre lang saß er in den höchsten Berufungsgerichten auf der Richterbank. Sechs davon im Superior Court, dem zweithöchsten Gericht, und 14 Jahre im Pennsylvania Supreme Court, dem höchsten Gericht des Bundesstaates. Seine Karriere endete jedoch am 15. März mit seiner Suspendierung und vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand. Eakin war der zweite Richter, der wegen des »Porngate«-Skandals seinen Stuhl räumen musste. Mehrere Richter und Staatsanwälte waren damit aufgeflogen, dass sie von ihren Dienstcomputern aus per E-Mail untereinander Fotos und Zeichnungen mit sexuellen, pornographischen oder rassistischen Inhalten ausgetauscht hatten.
Pennsylvanias Justizministerin Kathleen Kane, die gleichzeitig auch Generalstaatsanwältin des Bundesstaates ist und als erste Frau diesen Posten übernahm, hatte den peinlichen Fall aufgedeckt und dafür gesorgt, dass für mehrere Juristen ihre hohen Ämter zu Schleudersitzen wurden. Während in der Presse hauptsächlich die sexuellen Entgleisungen Schlagzeilen machten, wurden die rassistischen Comics und Karikaturen, die sich die Juristen zugeschickt hatten, in der Öffentlichkeit kaum thematisiert. Es muss wohl an dieser Stelle nicht extra erwähnt werden, dass es sich bei den Beschuldigten nur um weiße Richter und Staatsanwälte handelte.
Und natürlich spielt in diesem Fall auch die Klassenzugehörigkeit eine Rolle. Über 70 Prozent der US-Bürger haben nie in ihrem Leben ein College besucht. Richter hingegen haben studiert und gehören als Juristen auf jeden Fall zu denen, die ein Höchstmaß an Bildung genossen haben.
Es kommt nicht von ungefähr, dass Alexis de Tocqueville, der kluge Beobachter der USA, in seinem Klassiker »Über die Demokratie in Amerika« Juristen als »Amerikas letzte Aristokraten« bezeichnet. Und als solche schauen diese Herrschaften ausnahmslos naserümpfend von oben herab auf ihre ungebildeten Zeitgenossen. Das war auch der Grund, warum sie sich gegenseitig diese Karikaturen und Comics zuschickten. Die hohen Würdenträger spuckten verächtlich auf die Objekte ihres Dünkels, über die sie sich lustig machten – die Armen, die Habenichtse, die arbeitende Klasse, der Plebs.
In den USA ist es normal, dass die Mächtigen den Machtlosen mit Verachtung begegnen. Deshalb kennen sie auch keine Skrupel, wenn diese vor die Richtertische treten und ausgerechnet die um Gnade bitten, die so überaus gnadenlos sind. Diese furchtbaren Richter sind alle »tough on crime« und gehen solange »hart gegen das Verbrechen« vor, bis sie selber ertappt werden.

Übersetzung: Jürgen Heiser


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[1] https://www.jungewelt.de/2016/04-11/028.php

Ausdruck von: http://freedom-now.de/news/artikel1382.html
Stand: 24.11.2024 um 02:00:56 Uhr