Kolumne # 830 vom 14.11.2016: Der Vorhang ist gefallen

14.11.16 (von maj) Nach dem Wahlkampf in den USA, erfüllt von bitterer Wut, Hass, Furcht und Verachtung, hat die Furcht Oberhand gewonnen. Und der Hass wird jetzt mit einem Glas Champagner heruntergespült

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 264 vom 14. November 2016: Bitte HIER klicken![1]

Der Vorhang ist gefallen
Der US-Präsidentschaftswahlkampf wurde vor seinem Ende noch von einigen Eruptionen geprägt. Ein Mitschnitt von Donald J. Trumps vertraulichem Gelaber gegenüber einem Reporter aus dem Jahr 2005, in dem er sich seiner sexuellen Eroberungen (bzw. entsprechender Versuche) rühmte, hatte ihn einiges an Unterstützung gekostet – vor allem von Frauen, die über die offene Grobheit schockiert und angewidert waren, mit der er darüber prahlte, Frauen zu begrapschen und ihnen unter den Rock zu fassen. So empfanden auch nachdenkliche, einfühlsame und rechtschaffene Mitglieder der Republikanischen Partei, die einfach nur noch abgeschreckt waren von diesem Mann.
Aber wie das alte Sprichwort lautet: »Du kriegst, was du bezahlst.« Oder sollte ich besser sagen: Man kriegt, was Trump bezahlt hat. Das ist das neue Gesicht und der neue Ton von Trumps Partei, der jetzt ein Mann seinen Stempel aufdrückt, der alles zu verabscheuen scheint – bis auf Geld.
Der Politikwissenschaftler Andrew Hacker sagte in seinem 1992 erschienenen Buches »Two Nations: Black and White, Separate, Hostile, Unequal« (etwa: Zwei Nationen: Schwarz und Weiß, getrennt, feindselig, ungleich) voraus, dass die Republikanische Partei sich in eine weiße Partei verwandeln würde, die künftig weder schwarze Wähler haben noch brauchen würde. Unter Trump brauchte sie auch keine hispanischen Wähler mehr. Auch auf zwei Millionen amerikanische Muslime kam es scheinbar nicht mehr an.
Aufgrund der demographischen Veränderungen im Land konnte es sich die »Grand Old Party« leisten, auf Biegen und Brechen Barrieren zu schaffen, um Schwarze und Latinos von der Wahlurne fernzuhalten. Über Generationen war das die Taktik der Demokraten, der ehemaligen Partei der Sklavenhalter, die sich dazu der Terroristen des Ku-Klux-Klan bediente. Heute ist es Trumps Partei, die den Klan mit an Bord geholt hat.
Zugegeben, dieses Wahlergebnis hatte ich so nicht kommen sehen. Nun muss ich leider die Worte in den Mund nehmen, von denen ich hoffte, sie niemals sagen zu müssen: »Präsident Donald J. Trump« ist Wirklichkeit geworden. Nach diesem merkwürdigen Wahlkampf, erfüllt von bitterer Wut, Hass, Furcht und Verachtung, hat die Furcht Oberhand gewonnen. Und der Hass wird jetzt mit einem Glas Champagner heruntergespült.
Dieser Präsidentschaftswahlkampf war markiert durch Auftritte der Kandidaten, wie wir sie zuvor noch nie gesehen haben. Von Worten, wie sie noch nie zuvor im Fernsehen oder Radio zu hören gewesen waren: zum Beispiel Trumps Geschrei über das »manipulierte System«. Wenn ein Milliardär davon spricht, dass ein System manipuliert ist, dann sollten wir das ernst nehmen, weil es stimmt – aber zu seinen Gunsten, nicht zu seinem Nachteil.
Donald Trump hat sehr viele Spenden und freien Zugang zu den Medien erhalten, wodurch seine Auftritte aus den Niederungen eines Possenspiels auf die Höhen einer soliden Wahlkampagne gehievt wurden. Am Ende einer jeden Veranstaltung war der Refrain des Songs »You can’t always get what you want« zu hören. Nach diesem Wahlergebnis ist klar: Nein, du kannst nicht immer das bekommen, was du möchtest. Am 9. November ist in den USA wahrlich ein neuer Tag angebrochen. Der Vorhang ist nach dem Ende der Vorstellung einer Präsidentschaft Barack Obamas und des Clinton-Klans gefallen.
Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 24.11.2024 um 00:52:21 Uhr