Kolumne # 849 vom 27.03.2017: Arroganz der Macht

27.03.17 (von maj) Der US-Gefangene Dennis »Solo« McKeithan kämpfte vor Gericht erfolgreich um seine medizinische Behandlung

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 73 vom 27. März 2017: Bitte HIER klicken![1]


Am Morgen des 11. September 2016 rissen unerträgliche Schmerzen einen Mann in seiner Zelle in Pennsylvanias Staatsgefängnis Albion aus dem Schlaf. Dennis »Solo« McKeithan meldete sich daraufhin krank. Der Pfleger, der an seiner Zellentür erschien, rief bei seinem Anblick: »Mein Gott! Was ist passiert?« Solo erzählte ihm von den Schmerzen, die ihn geweckt hatten.

Solos Gesicht war aufgedunsen und das rechte Auge zugeschwollen. Er war ganz blass, und seine Haut war rosafarben. Das war für den Pfleger besonders verstörend, denn Solo ist ein Schwarzer, seine Haut normalerweise kaffeebraun. Solo sagte später aus, der Krankenpfleger habe anscheinend gewusst, was ihm fehlte, wollte es aber nicht sagen. Er wollte vielmehr, dass sich zuerst ein Arzt die Symptome anschaut.

Der herbeigerufene Assistenzarzt warf nur einen kurzen Blick auf Solo und ordnete an, ihn sofort in ein Krankenhaus zu verlegen. Dort wurde ihm ein Venenkatheter gelegt und er erhielt ein Medikament gegen Gürtelrose, eine durch Viren erzeugte Nervenentzündung, die unerträgliche Schmerzen verursachen kann. Mit der Verschreibung eines antiviralen Medikaments wurde Solo dann ins Albion-Gefängnis zurückverlegt, wo er dem Anstaltsarzt José Boggio sofort eine Krankmeldung zuleitete.

Nach Solos Angaben kam es dann am 29. September 2016 zu folgender Begegnung mit Boggio: »Er kam an meine Tür und sagte: ›Ich bin Dr. Boggio.‹ Ich versuchte dann, ihm zu erklären, was mir fehlte. ›Ach‹, antwortete er, ›ach, das ist nichts! Was Sie brauchen ist ein Lotteriegewinn!‹ Darauf antwortete ich: ›Wie Lotterie? Was ist los mit Ihnen, Mann?‹ Er: ›Ich stamme aus Südamerika. Ich kenne mich aus, mir macht man nichts vor!‹ Ich: ›Und was hat das mit mir zu tun?‹«

Angewidert von einer solch arroganten Antwort, schaltete Solo das Licht in seiner Zelle aus und wendete sich vom Anstaltsarzt ab, der draußen vor der Tür stand. Boggio reagierte auf seine Weise, indem er keine weitere medizinische Behandlung für Solo anordnete.

Im Januar 2017 stellte Solo als rechtskundiger »Jailhouse Lawyer« beim zuständigen Gericht, dem Erie County Court of Common Pleas, einen Antrag auf einstweilige Verfügung. Am 17. Januar 2017 fand dazu eine gerichtliche Anhörung statt, in der Solo persönlich als Zeuge auftrat und auch Bewertungen über das Verhalten mehrerer Mitarbeiter des medizinischen und nichtmedizinischen Anstaltspersonals abgab.

Richter John Garhart saß der Anhörung vor und verkündete, er glaube, dass eine medizinische Diagnose, die von jemand durch eine geschlossene Zellentür erstellt wird, nicht als eine echte ärztliche Untersuchung angesehen werden könne. Am Ende der Anhörung gab Richter Garhart deshalb dem Antrag auf einstweilige Verfügung statt und ordnete an, dass Dennis »Solo« McKeithan umgehend von zwei außerhalb des Gefängnisses frei praktizierenden Ärzten untersucht werden solle. Einer davon müsse Internist sein, der die Gürtelrose begutachtet. »Jailhouse Lawyer« Solo hatte gegen die Arroganz der Macht gewonnen.

Übersetzung: Jürgen Heiser


Links im Artikel: 1
[1] https://www.jungewelt.de/artikel/307857.arroganz-der-macht.html?sstr=arroganz%7cder%7cmacht

Ausdruck von: http://freedom-now.de/news/artikel1518.html
Stand: 24.11.2024 um 01:49:58 Uhr