Kolumne 917 vom 6.08.2018: Vergessene Geschichte

06.08.18 (von maj) In den 1930er Jahren wurden Schwarze im US-Bundesstaat Alabama dafür verfolgt, dass sie eine Kommunistische Partei aufbauen wollten

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 180 vom 6. August 2018: Bitte HIER klicken![1]

Vergessene Geschichte
Der bekannte US-Historiker und Intellektuelle Robin Davis Gibran Kelley ist ein talentierter und sehr produktiver Wissenschaftler und Autor. Der 1962 Geborene arbeitet nach zahlreichen Lehraufträgen an verschiedenen Universitäten der USA heute als Professor für Amerikanische Geschichte an der University of California in Los Angeles. Während des akademischen Jahres 2009/10 hatte Kelley den Lehrstuhl »Harmsworth Chair of American History« an der englischen Oxford University inne und war damit der erste afroamerikanische Historiker in dieser Funktion, seit der Lehrstuhl 1922 eingerichtet wurde.

Kelleys Talent als Wissenschaftler war bereits zu Beginn seiner Laufbahn vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert deutlich zu erkennen. Denn 1990 veröffentlichte die »University of North Carolina Press« sein Werk »Hammer and Hoe: Alabama Communists During the Great Depression«. (dt.: Hammer und Hacke: Alabamas Kommunisten während der Weltwirtschaftskrise). Mit »Alabama Communists« meinte Kelley in erster Linie afroamerikanische Arbeiter, Bergarbeiter, Landarbeiter und Gewerkschafter, die bis in die 1930er Jahre dafür kämpften, eine kommunistische Partei aufzubauen, um sich gegen die bewaffneten Terroristen des staatlichen Sicherheitsapparats und faschistische Kräfte zu wehren, die Menschen angriffen, verprügelten, vergewaltigten und erschossen, nur weil sie versuchten, sich zusammenzuschließen und für bessere Löhne und ein besseres Leben zu kämpfen.

Wer wusste schon davon, dass es in den 1930er Jahren Hunderte und vielleicht Tausende von schwarzen Kommunisten in Alabama gab? Nun, Robin D. G. Kelley ist so jemand, der die Fakten recherchierte und weitergab, und sein Buch ist nichts weniger als eine Offenbarung. Diese ausgeblendete und deshalb kaum bekannte Geschichte von schwarzen Revolutionären, die sich in einer Zeit faschistischer Reaktion in den Vereinigten Staaten von Amerika (und besonders in Alabama!) organisierten, ist etwas, das ich als »Untergrundgeschichte« bezeichnen möchte. Das ist Widerstandsgeschichte, über die selten berichtet und die fast wieder vergessen wurde. Sie erinnert uns daran, dass »schwarze Geschichte« oft revolutionäre Geschichte ist, die aber allgemein kaum als solche anerkannt wird.

Kelleys Buch besteht im wesentlichen aus Interviews mit ehemaligen Parteimitgliedern und seinen Forschungsergebnissen, für die er Mitteilungsblätter von Gewerkschaften und Dokumente von politischen Gruppen analysiert hat, die während der Depression aktiv waren. Er gibt uns damit wertvolle Einblicke, wie das Leben afroamerikanischer Revolutionäre in Zeiten härtester Repression aussah.

In bestimmten Zeiten fallen uns Bücher in die Hände, die unser Geschichtsverständnis grundlegend verändern. Dazu gehören beispielsweise Herbert Apthekers (1915–2003) »American Negro Slave Revolts« aus dem Jahr 1943 über die Geschichte der Sklavenaufstände in den Vereinigten Staaten oder C. L. R. James’ (1901–1989) »Black Jacobins: Toussaint L’Ouverture and the San Domingo Revolution« (1938) über die Haitianische Revolution. Diese brillanten Werke stellten durch ihren Erkenntnisgewinn alles in den Schatten, was ihnen vorausging, und alles, was nach ihnen veröffentlicht wurde. Genau in diese Reihe hervorragender wissenschaftlicher Arbeiten gehört Robin D. G. Kelleys außergewöhnliches Werk »Hammer and Hoe«, das im Jahr 2015 zum 25jährigen Jubiläum mit einem aktuellen Vorwort des Autors neu aufgelegt wurde.

Übersetzung: Jürgen Heiser


Links im Artikel: 1
[1] https://www.jungewelt.de/artikel/337339.vergessene-geschichte.html?sstr=vergessene%7cgeschichte

Ausdruck von: http://freedom-now.de/news/artikel1642.html
Stand: 24.11.2024 um 01:38:33 Uhr