Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 299 vom 24./25./26. Dezember 2018: Bitte HIER klicken![1]
Politik des Irrationalen
Im Jahr 1952 veröffentlichte der US-Historiker Richard Hofstadter (1916–1970) erstmals ein Buch, das sich als Klassiker der politischen Literatur erweisen sollte und deshalb bis 2008 immer wieder neu aufgelegt wurde. Ein zentraler Aufsatz gab der Essaysammlung den Titel: »The Paranoid Style in American Politics« (Der paranoide Stil in der amerikanischen Politik).
Im Vorwort wird der ehemalige Armeegeneral und spätere 34. US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower (1890–1969) zitiert, der einmal in einer nichtöffentlichen Kritik die Fraktion der extremen Rechten in der Republikanischen Partei als »dämlich« bezeichnet haben soll. Eisenhower sagte auch voraus, dass es das sichere Ende der Republikanischen Partei wäre, wenn dieser kleine Prozentsatz jemals die Oberhand gewinnen würde.
In seinem Essay beschrieb Hofstadter die Geschichte der politischen Paranoia in Amerika, von den frühen Feindseligkeiten gegen die Katholiken, dann gegen die Juden und schließlich gegen die anderen Gruppen, die in die Vereinigten Staaten von Amerika eingewandert sind.
Der Historiker hat untersucht, wie konkurrierende Kräfte und randständige Gruppen im politischen Diskurs der USA die Agenda einer Partei beeinflussen und fehlleiten können. Ihn interessierte dabei die Politik des Irrationalen und wie sich das Verhalten von Individuen auf das Verhalten größerer Gruppen auswirkt.
Seit der ersten Erwähnung von Eisenhowers Prognose sind weit mehr als 60 Jahre vergangen, und die heutige Grand Old Party (GOP) der Republikaner steht so weit rechts wie eh und je. Nach seinem Wahlsieg im November 2016 hat US-Präsident Donald Trump es indes geschafft, die GOP noch weiter nach rechts zu treiben, und es sieht ganz so aus, als sei die Politik der Republikanischen Partei heute aggressiver als je zuvor.
Wir werden vielleicht Zeugen des Endes der Republikaner oder ihres Aufstiegs zur rein »trumpistischen« Partei. Nicht immer stimmt also das Ergebnis menschengemachter Geschichte mit den Vorhersagen der Vergangenheit überein. Denn im Gegensatz zur Wissenschaft entwickelt sich Geschichte nicht gradlinig. In ihrem kurvenreichen und sprunghaften Fortgang können alte Ideen zu neuem Leben erwachen, ihre treibenden Kräfte können sich im Kreis bewegen oder manchmal in unentrinnbaren Sackgassen enden. Die Geschichte der Menschheit ist voller Überraschungen, und niemand weiß, was uns das Morgen bringen wird.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Mumia Abu-Jamal ist zur XXIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2019 in Berlin als Gast eingeladen. Wir erwarten wie in den vergangenen Jahren eine Videobotschaft des politischen Gefangenen. (jW)