Kolumne 957 vom 14.05.2019: Den Weg gebahnt

14.05.19 (von maj) Am 29. April starb in Los Angeles der Regisseur John Singleton

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 110 vom 14. Mai 2019: Bitte HIER klicken![1]

Den Weg gebahnt
Der renommierte Drehbuchautor und Filmemacher John Singleton führte 1991 die Regie bei dem Film »Boyz n the Hood – Jungs im Viertel«. Singleton war ein Meister seines Handwerks. Als erster Schwarzer – und mit seinen 24 Jahren auch als jüngster – wurde er in der Sparte »Beste Regie« für einen Oscar nominiert. Sein Film war das wohlwollende Porträt eines Viertels der schwarzen Arbeiterklasse im Stadtteil South Central von Los Angeles, das zeigte, wie die Kultur schwarzer Jugendgangs das großstädtische Leben in den 1980er und 1990er Jahren durchdrungen hatte.

Am 17. April 2019 war Singleton von einer Reise aus Costa Rica nach Los Angeles zurückgekehrt. Weil er gesundheitliche Probleme hatte, suchte er ein Krankenhaus auf. Wie seine Familie später mitteilte, erlitt er einen Schlaganfall und fiel ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. Am 29. April verschied der Filmemacher im »Cedars-Sinai Medical Center« von Los Angeles.

Zu seinem ersten Filmprojekt »Boyz n the Hood« erklärte Singleton 2014 rückblickend in einem Interview mit dem Filmmagazin The Hollywood Reporter: »Mir wurde klar, dass niemand außer mir die Drehbücher für genau die Filme schreiben würde, die ich machen wollte. (…) Der entscheidende Moment für mich war, als ich ›Do the Right Thing‹ (1989) von Spike Lee sah. Ich sagte mir: Was Spike mit diesem Streifen gemacht hat, muss ich für Los Angeles machen, ich muss einen knallharten L.A.-Film drehen!« Singleton schrieb nur eine einzige Fassung des Drehbuchs von »Boyz n the Hood« und brauchte dafür nur drei Wochen. Im Film ließ er Schwarze zu Wort kommen, die klarmachten, wie besorgniserregend ihre Lage war.

Welche Rolle die Gentrifizierung bei der Verelendung der von Schwarzen und Latinos bewohnten Ghettos wie South Central spielt, zeigte ein Gespräch zwischen schwarzen Jugendlichen und Laurence Fishburne in der Rolle der Vaterfigur Jason »Furious« Styles. Letzterer versuchte den Youngsters klarzumachen, dass Waffen, Bandenkriege, Alkohol und härtere Drogen den Wert ihres Viertels und so den ihrer Grundstücke und Häuser herabsetzen sollen, damit die weißen Immobilienhaie sie zum Dumpingpreis kaufen und mit Profit wieder teurer an die »Edelsanierer« verkaufen können: »Wie kommt Crack denn überhaupt in unser Land? Wir haben keine Flugzeuge. Wir haben auch keine Schiffe. Wir gehören ganz bestimmt nicht zu den Leuten, die für den Dreck verantwortlich sind. Aber man braucht nur den Fernseher anzumachen, und was sieht man: Schwarze dealen mit Crack und Kokain. Solange nur wir die Drogen genommen haben, hat das niemand interessiert. Erst als die weißen Kids in Iowa und die Broker an der Wall Street damit anfingen, gab’s ein Riesengeschrei. Und wieso findet man in dieser Gegend an jeder Ecke ein Waffengeschäft? Aus dem gleichen Grund, warum es in unserem Viertel so viele Schnapsläden gibt: Die Weißen wollen, dass wir uns umbringen. In Beverly Hills werdet ihr so einen Scheiß nicht finden.«

Mit seinem richtungsweisenden Film »Boyz n the Hood« hat John Singleton der schwarzen Jugend von South Central den Weg über Hollywood in die internationale Öffentlichkeit gebahnt. Auch wenn er selbst nur eine kurze Strecke auf diesem Weg zurücklegen konnte, hat er mit all seinen aufrüttelnden Werken deutliche Spuren hinterlassen. Mit nur 51 Jahren ist er nun zu seinen Ahnen zurückgekehrt.

Übersetzung: Jürgen Heiser


Links im Artikel: 1
[1] https://www.jungewelt.de/artikel/354654.den-weg-gebahnt.html

Ausdruck von: http://freedom-now.de/news/artikel1705.html
Stand: 24.11.2024 um 00:22:12 Uhr