Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 118 vom 25. Mai 2021: Bitte HIER klicken![1]
Wie Spielzeug oder Plunder
»Du Menschenkind, meinst du wohl, dass diese Gebeine wieder lebendig werden?« (Lutherbibel, Buch des Propheten Hesekiel 37,3)
Seit einigen Wochen tauchen in der Stadt Philadelphia menschliche Überreste von Opfern des Angriffs vom 13. Mai 1985 auf, als die Polizei aus einem Helikopter eine Bombe auf das Haus der Move-Familie abwarf (siehe auch junge Welt vom 17. Mai: Bitte HIER klicken![2]). Es sind Knochenteile von Kindern, die ins Reich der Vergessenheit bombardiert wurden. Knochenteile, die damals völlig ungeniert einfach in Koffern aus den Trümmern des Move-Hauses fortgeschafft wurden, um sie Jahrzehnte später in Lehrkursen anthropologischer Seminare zur Schau zu stellen.
Die Kinder der Move-Familie wurden erst aus dem Leben geschossen und weggebombt, und später dann wurden Teile ihrer Gebeine wie Spielzeuge behandelt, Plunder zur Beschäftigung von Studenten. Und genauso leicht, wie sie verlorengingen, wurden sie später wiedergefunden. Die sterblichen Überreste von Kindern, von schwarzen Mädchen, die nicht anders waren als die vier Mädchen, die 1963 in einer Kirche der schwarzen Baptistengemeinde in Birmingham, Alabama, vom Ku Klux Klan mit einer Bombe ermordet wurden. Die Mädchen 1985 wurden wie die 1963 allein deshalb durch Bomben getötet, weil sie Schwarze waren, Schwarze in Städten des Nordens und des Südens. Und während der Klan seine Drecksarbeit im Süden erledigte, erledigen die Cops im Norden den gleichen Job. Hier in Philadelphia, der »Stadt der brüderlichen Liebe«.
Was machte dies möglich? War es die Entmenschlichung, die von den Konzernmedien der Stadt gegenüber Move betrieben wurde? Die Leute von Move, so argumentierten die Medien, seien »Untermenschen«. Also schlugen die Medien Alarm, und Amerika reagierte. 36 Jahre sind seitdem vergangen, und immer noch spielen sie mit den Knochen dieser Kinder.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Dies ist die erste Kolumne, die Mumia Abu-Jamal nach seiner Herzoperation verfasste. Am 12. Mai 2021 erklärte er zu seinem gesundheitlichen Zustand: »Normalerweise rede ich nicht über mich selbst. Ich finde es viel interessanter, die Geschichten anderer zu erzählen, über den sich drehenden Globus, auf dem wir leben, und die Geschichten, die durch die fragile menschliche Verfassung und die Befreiungskämpfe der Menschheit hervorgebracht werden.
Aber ich schweife ab, weil es mir unangenehm ist. In diesem Kommentar geht es um den Autor selbst. Vor wenigen Wochen musste ich mich einer Operation am offenen Herzen unterziehen. Es wurde ein doppelter Bypass gelegt, weil zwei verstopfte Gefäße die Herzfunktion beeinträchtigten. Die Operation wurde von einem sehr gut ausgebildeten jungen Kardiologen durchgeführt, der viel Erfahrung mit diesen komplizierten chirurgischen Eingriffen hat. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, dass ich an dieser Krankheit litt. Ehrlich gesagt fühle ich mich heute gut und energiegeladener als davor! Ich danke euch allen, meiner Familie und meinen Freunden, für eure Liebe und Unterstützung. Von ganzem Herzen vorwärts bis zur Freiheit. Mumia Abu-Jamal.« (jh)