Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 95 vom 25. Februar 2022: Bitte HIER klicken![1]
Todesstrafe auf Schwarzsein
Sie waren Kriegsflüchtlinge und kamen in die Vereinigten Staaten von Amerika, um den interethnischen Kriegen in der Demokratischen Republik Kongo in Zentralafrika zu entkommen. Wie viele andere Kriegsflüchtlinge dachten auch die Mitglieder der Familie Lyoya, die USA seien »das Land des Friedens«. Die Familie ließ sich in Gran Rapids, Michigan, nieder und lebte ihr Leben schon fünf Jahre lang so, wie es Flüchtlinge seit Generationen getan haben. Doch etwas so Unbedeutendes wie ein scheinbar nicht korrektes Nummernschild machte der Familie auf brutale Weise die Grenzen dieses vermeintlichen »Landes des Friedens« klar.
Auf einen Schlag veränderte sich alles, als der 26jährige Sohn Patrick Lyoya am 4. April auf der Straße von einem Streifenwagen angehalten wurde. Er stieg aus und fragte den Beamten: »Was habe ich falsch gemacht?« Die Antwort des Polizisten verstand er aber offenbar nicht richtig, und ihn überkam wohl ein Gefühl der Angst und Unsicherheit. Er versuchte zu fliehen, ließ sich nicht von dem Polizisten festhalten und setzte zu einem Sprint an. Der Polizist jagte hinter Lyoya her, holte ihn ein und richtete seinen Taser auf ihn. Der Gejagte wehrte die Waffe mit seinen Händen ab, um nicht getroffen zu werden. Im Gerangel brachte der Polizist ihn zu Fall, und das war der Moment, in dem die Aufnahme der Bodycam des Beamten, die auf einer Pressekonferenz gezeigt wurde, abbrach.
Am Rande des Geschehens hatte jedoch ein Zeuge seine Handykamera auf die Auseinandersetzung gerichtet. Diese Aufnahme zeigt, was weiter geschah: Der Polizist saß auf dem Rücken des bäuchlings am Boden liegenden Lyoya und presste dessen Kopf auf den Boden. Dann war ein Schuss zu hören – und Patrick Lyoya war tot. Getötet durch einen Schuss in seinen Hinterkopf.
Während der Pressekonferenz ließ Patrick Lyoyas Vater durch einen Übersetzer erklären, mit dem Tod seines Sohnes sei auch sein Leben beendet worden. Der Bürgerrechtsanwalt Benjamin Crump, der die Familie Lyoya vertritt, erklärte auf der Pressekonferenz: »Was in diesem Video zu sehen war, ist eine nicht zu rechtfertigende übermäßige Anwendung tödlicher Gewalt. Ein Polizeibeamter eskalierte eine unbedeutende Verkehrskontrolle zu einer tödlichen Hinrichtung.« Damit hat sich wieder einmal gezeigt: »Driving while Black« – als Schwarzer ein Auto zu fahren – ist ein Kapitalverbrechen, auf das in den Vereinigten Staaten die Todesstrafe steht.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Nach fast zwei Monaten Pause eine neue Kolumne von Mumia Abu-Jamal – zum wiederholten Male über einen Akt rassistischer Polizeigewalt. In den über 40 Jahren als politischer Gefangener musste Abu-Jamal sich immer wieder mit diesem Thema befassen. In einer Kolumne vom 4. Februar 2019 zeigte er den Weg der Gegenwehr auf. »Das einzig taugliche Mittel gegen Repression und Unterdrückung ist jedoch, sich zu organisieren und Bewegungen aufzubauen. Wenn Menschen zusammenkommen, sich organisieren und kämpfen, dann können sie Veränderungen durchsetzen. Passiert das nicht, dann setzen sich die repressiven Kräfte durch. Es geht um Gewalt und Gegengewalt, um Repression und den Kampf dagegen.«
Abu-Jamal wurde 1981 selbst Opfer von Polizeigewalt und wurde nicht nur schwerverletzt, sondern zum Täter erklärt, zum angeblichen »Polizistenmörder«, und zum Tode verurteilt. Vor elf Jahren wurde diese Höchststrafe als Ergebnis erheblicher juristischer Bemühungen seiner Verteidigung und durch die Kraft einer internationalen Solidaritätskampagne im ersten Schritt in lebenslange Haft umgewandelt. Aber auch seinen 68. Geburtstag am Sonntag konnte der ehemalige Black Panther, Journalist und Bürgerrechtler nicht in Freiheit begehen. Doch wie in den Vorjahren erreichten ihn wieder Grüße und Gratulationen aus aller Welt, die alle ein Ziel eint: »Free Mumia – Freiheit für Mumia!« (jh)