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Folterlager bleibt bestehen
Der scheidende Joseph Biden ist der vierte US-Präsident, der mit seinem Namen für das weltweit berüchtigte Gefangenenlager Guantanamo steht. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 war es unter dem Republikaner George W. Bush in der kubanischen Bucht von Guantánamo errichtet worden. Fernab der US-Gerichtsbarkeit schien der Ort dem Weißen Haus und dem Pentagon für Gefangene aus dem »weltweiten Kampf gegen den Terrorismus« ideal: der US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay Naval Base, den Washington dort gegen den seit 1959 erklärten Willen und Widerstand der sozialistischen Republik Kuba weiter unterhält.
Eine gute Woche vor den US-Präsidentschaftswahlen ist nun festzustellen, dass Bidens zum Beginn seiner Amtszeit gegebenes Versprechen, Schritte zur Schließung des verbliebenen »Camp 6« des Militärgefängnisses einzuleiten, dem Weißen Haus seit gut 18 Monaten kein Wort der Erwähnung mehr wert ist. Von den vierzig Gefangenen, die Biden von seinem Vorgänger Donald Trump übernommen hat, sind dreißig weiter unter der Herrschaft des US-Militärs von der Welt isoliert.
Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Im Oktober 2022 ist der 75jährige Saifullah Paracha, der älteste Gefangene, der je in dem US-Lager inhaftiert war, nach 20 Jahren als offensichtlich Unschuldiger in sein Heimatland Pakistan abgeschoben worden. Eine Lösung für die letzten der seit 15 bis 22 Jahren zumeist ohne Anklage festgehaltenen Männer ist derzeit nicht in Sicht. Selbst ein dort veranstaltetes Militärtribunal gegen drei Gefangene, die kooperierten, scheiterte im August 2024 am Einspruch von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Für Demokraten und Republikaner zählt nur noch, was dem eigenen Wahlkampf nützt.
Vor vier Jahren hatte der Journalist Andy Worthington, Mitbegründer der US-Initiative »Close Guantanamo«, die Frage aufgeworfen, ob Biden das Lager wirklich schließen würde, bekäme er im November 2020 die meisten Stimmen. Worthington bezog sich damals auf einen Mitte Juli des Jahres erschienenen Artikel der New York Times. Darin hatte Bidens Wahlkampfteam erklärt, der Demokrat werde »für die Schließung des Gefangenenlagers eintreten«. Das Team verstieg sich sogar zu der Anmerkung, das Fortbestehen des Camps untergrabe »die nationale Sicherheit Amerikas, indem es die Rekrutierung von Terroristen« fördere. Zudem stehe es »im Widerspruch zu den Werten unseres Landes«.
Die Absicht dahinter war klar: Nachdem es Expräsident Barack Obama nicht gelungen war, das Camp gegen den Widerstand der Republikaner im US-Kongress zu schließen, wollte sich sein Exvize im 2020er Wahlkampf vom amtierenden Präsidenten Trump auch in dieser Frage absetzen. Der »katastrophale Oberbefehlshaber«, so »Close Guantanamo«, hatte sich standhaft geweigert, die unter unmenschlichen Bedingungen gefolterten und endlos festgehaltenen Häftlinge zu entlassen – egal unter welchen Umständen. Die Ausnahme in diesem vierjährigen Stillstand bildete ein einziger Gefangener, den Trump ziehen lassen musste, weil dessen Verlegung zur weiteren Verbüßung seiner Haft nach Saudi-Arabien Teil eines Deals war, den Obama noch vor dem Ende seiner Amtszeit ausgehandelt hatte.
Obama hatte bei seinem Amtsantritt betont, er werde das Lager »innerhalb eines Jahres« schließen, scheiterte aber letztlich auch daran, dass er den Republikanern keine Vorlage für schärfere Attacken liefern wollte. Biden setzt mit seinem Nichtstun diese schlechte Bilanz der Demokraten fort. Wie »Close Guantanamo« vor einer Woche meldete, sind von den 30 noch inhaftierten Männern 16 – zumeist Jemeniten – »geklärte Fälle«, deren Überstellung nach Oman vom US-Außenministerium bereits ausgehandelt war. Dazu kam es jedoch nicht, weil »hochrangige Beamte« der USA dem vor einem Jahr einen Riegel vorschoben – wegen der »politischen Optik nach den tödlichen Anschlägen im Süden Israels am 7. Oktober«. Ein neuer Termin für ihre Überstellung wurde seitdem nicht bekannt.
Jürgen Heiser