Die Auseinandersetzung um die Todesstrafe in den USA findet in einem Klima der völligen Gegensätze statt. Zum einen schlagen sich Berichte in den Medien stärker nieder und scheinen den Status quo zu bestätigen, zum anderen ist die Todesstrafe aber real auch in den USA in den letzten zehn Jahren in Zweifel gezogen worden wie nie zuvor in der Geschichte.
Die Hauptkritik hat Sue Gunawardena-Vaughn, Sprecherin von Amnesty International USA, am 1. Dezember auf der Kundgebung gegen die 1000 Hinrichtung seit 1976, als Kenneth Lee Boyd durch die Giftspritze starb, vor dem Todestrakt in Raleigh benannt: »Wir sagen, daß es vor Gericht erfolgversprechender ist, reich und schuldig zu sein als arm und unschuldig. Ob man in diesem System zum Tode verurteilt wird oder nicht, hängt vom Zugang zu einer guten Verteidigung ab.«
Armut, Rassismus und unzureichende Verteidigung sind die Hauptmerkmale der Todesstrafenpraxis und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, trotz Unschuld verurteilt zu werden, wie Richard Dieter vom US-»Informationszentrum Todesstrafe« betont: »In der Zeit der tausend Hinrichtungen sind 122 Todeskandidaten von Gerichten entlastet und freigelassen worden.« Was den Schluß zuläßt, daß jeder achte der Tausend unschuldig gewesen sein könnte. Mit den Verschärfungen der Antiterror- und Todesstrafengesetze unter Clinton und Bush jr. sind die Berufungsmöglichkeiten für zum Tode Verurteilte eingeschränkt worden. Gegenteilige Entscheidungen kommen nur durch internationalen Druck zustande. So die beiden jüngsten Grundsatzentscheidungen des Obersten Bundesgerichts der USA, mit denen die Hinrichtung von Minderjährigen und geistig Behinderten verboten wurden.
Der Kreis von Bundesstaaten wie Illinois, die sich für ein Moratorium entscheiden, nimmt zu. Auch in Kalifornien laufen Bestrebungen, sich nach eingehenden Untersuchungen anzuschließen. Die Zeichen mehren sich, daß ein generelles Moratorium der Todesstrafe möglich wird. 3400 Gefangene in den US-Todeszellen wären unmittelbar davon betroffen.
In den Medien der BRD macht die US-Todesstrafenpraxis Schlagzeilen, ohne daß es hier in den letzten Jahren nennenswerte öffentliche Proteste gegeben hätte. Daraus könnte im Umkehrschluß die Erkenntnis gewonnen werden: würde die Forderung nach einem generellen Moratorium der Todesstrafe und nach einem neuen Prozeß für Mumia Abu-Jamal heute von einer breiten Basisbewegung aus Friedens- und Menschenrechtsgruppen, unterstützt von der Bundestagsfraktion der Linkspartei.PDS, gezielt zum Thema gemacht, wäre die Offenheit von Medien und Gesellschaft so groß wie nie zuvor. Die US-Regierung hat das Problem, daß sie hier nicht nur mit CIA-Entführungen, Folter und weiteren Verletzungen des Völkerrechts zunehmend unter Druck gerät, sondern auch mit der Todesstrafe.
Die US-Bürgerrechtlerin Angela Davis hat anläßlich ihrer Rede auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am 8. Januar in Berlin erklärt: »Ich möchte betonen, daß wir alle aufstehen sollten für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal - nicht nur, weil er ein Opfer der Todesstrafe werden könnte, sondern auch, weil er einer der einflußreichsten intellektuellen Führer der Bewegung gegen die Todesstrafe in den USA und weltweit ist.«
Es besteht jetzt die Chance, Mumia Abu-Jamals Todesurteil niederzuringen - wenn eine breite Solidaritätsbewegung zu handeln beginnt.
Jürgen Heiser