junge Welt Nr. 286 vom 9./10. Dezember 2006
Heute ist es auf den Tag genau 25 Jahre her, daß der Journalist und ehemalige Black Panther Mumia Abu-Jamal in Philadelphia verhaftet wurde. Am 9. Dezember 1981 war er noch spät abends als Taxifahrer unterwegs. Sein Einkommen als Radiojournalist reichte nicht, seine junge Familie zu ernähren. Er war 27 Jahre alt und konnte nicht ahnen, daß er nach dieser Nacht sechs Monate in Untersuchungshaft und nach seiner Verurteilung zum Tode am 3. Juli 1982 den Rest seines bisherigen Lebens ununterbrochen im Todestrakt verbringen würde.
Abu-Jamal war an jenem 9. Dezember zufällig Zeuge geworden, wie der Polizist Daniel Faulkner seinen Bruder Billy bei einer Verkehrskontrolle verprügelte. Der Vorwurf, den Polizisten erschossen zu haben, ist mittlerweile durch zahlreiche Sachbeweise und Zeugenaussagen widerlegt, aus denen sich klar ergibt, daß der wahre Todesschütze entkommen konnte. Bis heute hat sich aber keines der zuständigen US-Gerichte mit diesen Beweisen befaßt. Im Gegenteil blieben die Akten auch bezüglich der seit 1995 angestrebten Wiederaufnahme des Verfahrens »sauber« und enthalten nur die Version der Staatsanwaltschaft.
Die zuständige Berufungsinstanz des Bundesbezirksgerichts in Philadelphia hat nun über drei zugelassene Berufungsgründe der Verteidigung zu befinden, bei denen es um rassistische Vorurteile in der Verfahrensführung durch den früheren Richter Albert Sabo und den Ausschluß von schwarzen Kandidaten aus der Jury geht sowie Sabos Ausspruch in einer Verhandlungspause, er werde der Staatsanwaltschaft »helfen, den Nigger zu grillen«.
In den ersten Monaten des neuen Jahres wird es vor dem dreiköpfigen Richtergremium eine mündliche Anhörung geben, bei der Verteidigung und Anklage ihre Argumente noch einmal vortragen und die Richter ihnen Fragen stellen können. In den Folgemonaten wird das Berufungsgericht dann sein Urteil fällen, das sich zwischen der Anordnung eines neuen Verfahrens und der Bestätigung des Todesurteils bewegen kann. Im letzteren Fall würden der Gouverneur von Pennsylvania, Ed Rendell, der früher als Staatsanwalt gegen Abu-Jamal ermittelt hat, einen erneuten Hinrichtungsbefehl unterzeichnen.
Abu-Jamals Hauptverteidiger Robert R. Bryan gegenüber junge Welt: »Diese Entscheidung ist von außerordentlicher Bedeutung. Ich werde alles dafür tun, diesen Kampf auf Leben und Tod für meinen Mandanten zu gewinnen. Wir wollen einen neuen, fairen Prozeß durchsetzen, weil ich erreichen will, daß mein Mandant den Todestrakt als freier Mann verlassen kann. Dennoch muß ich immer wieder betonen, daß Mr. Abu-Jamal sich immer noch in großer Gefahr befindet.«
Am 13. Januar 2007 wird Bryan auf der XII. Rosa-Luxemburg-Konferenz über den Stand des Verfahrens und die Notwendigkeit breiter Solidarität sprechen. Vor dem Rathaus von Philadelphia versammeln sich die Todesstrafengegner heute unter dem Motto »Free Mumia!« zu einer Demonstration, und in vielen Teilen der Welt finden an diesem Wochenende Kundgebungen und Veranstaltungen statt.
Jürgen Heiser