Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 58 - 8./9. März 2008
Die Vorwahlkampagnen der New Yorker Senatorin Hillery Rodham-Clinton und ihres Parteikollegen aus Illinois, Senator Barack Obama, werden unvermindert fortgesetzt, damit sich bis zum Sommer entscheidet, wer von beiden für die Demokratische Partei in den Präsidentschaftswahlkampf gegen die Republikaner ziehen wird. In Teilen der Wählerschaft wird unterdessen die Frage aufgeworfen, ob in dieser historisch einmaligen Konstellation einer weißen Kandidatin und eines schwarzen Kandidaten das Geschlecht die Hautfarbe übertrumpfen sollte oder nicht.
Einige argumentieren, es sei angesichts der Tatsache, daß Frauen in den USA erst 1920 das Wahlrecht zugesprochen wurde, nur gerecht, wenn Senatorin Clinton nominiert würde – eben weil sie eine Frau ist. Schwarze Männer hätten schon seit 1870 das Wahlrecht, als dies im 15. Zusatzartikel zur US-Verfassung festgelegt wurde. Dieses Argument ist natürlich eine Mogelpackung, denn der Erlaß eines Zusatzartikels ist eine Sache, aber seine Umsetzung eine andere. Ein langer und schwieriger Kampf von fast hundert Jahren war notwendig, um das durch die Verfassung garantierte Wahlrecht im ganzen Land zu verwirklichen. Wäre schon der Erlaß des Grundrechts ausreichend gewesen, warum mußte dann 1965 noch das Wahlrechtsgesetz (Voting Rights Act) verabschiedet werden?
Der legendäre Afroamerikaner Frederick Douglass (1818-95) war während seines ganzen politischen Lebens vor und nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg ein freimütiger Verteidiger der Frauenrechte. Als er 1845 nach England flüchtete, um sich auf legale Weise Geld zu beschaffen, mit dem er sich in den USA von seinem Sklavendasein freikaufen wollte, war er so beseelt von Freiheitsliebe, daß er sich die Zeit nahm und die schlechten Lebensbedingungen der weißen Arbeiterklasse in England, Schottland und Irland kritisierte. Er schrieb in der von Gegnern der Sklaverei in Boston herausgegebenen Zeitschrift The Liberator: »Auch wenn ich besonders eng mit der Klasse eines empörten, ausgebeuteten und versklavten Volkes verbunden bin und mit ihm identifiziert werde, kann ich nicht gleichgültig gegenüber dem Unrecht und Leiden anderer Teile der großen Familie der Menschheit sein. Ich bin nicht nur ein amerikanischer Sklave, sondern ein Mensch, und als solcher verpflichtet, alles in meiner Macht stehende für das Wohlergehen der gesamten Menschheit zu tun. Ich bin davon überzeugt, je eher das Unrecht offenbar wird, dem die gesamte Menschheit unterworfen ist, desto eher wird es abgeschafft.«
Als seine Freunde und Unterstützer in England die notwendigen 750 US-Dollar gesammelt hatten, erkaufte Douglass sich damit seine Freiheit und hielt endlich den Zahlbeleg in den Händen, mit dem sein früherer Besitzer bestätigte, den Sklaven Douglass an den freien Bürger Douglass verkauft zu haben. Zurück in den USA, berichtete er in der von ihm gegründeten Zeitung The North Star über Versammlungen der Frauenrechtlerinnen und konstatierte, daß »das Recht kein Geschlecht kennt«.
Als Elizabeth Cady Stanton 1848 in einer Erklärung das Wahlrecht für Frauen einforderte, gehörte Frederick Douglass zu den wenigen Männern in den USA, die diesen Schritt öffentlich unterstützten. Er unterstrich, daß die politische Gleichstellung der Frauen notwendige Voraussetzung sei für ihre völlige Befreiung.
Douglass war ein herausragender Aktivist, Agitator und Journalist seiner Zeit, und es gab nur wenige, die ihm ebenbürtig waren. Er war machtvoller Wortführer, nicht Mitläufer der damaligen gesellschaftlichen Umbrüche. Noch heute, weit mehr als hundert Jahre nach seinem Tod, sind die Klarheit seiner Vision und die Macht seines Geistes immer noch richtungweisend für uns. Er hat nicht Machtinteressen gedient, er hat sie vielmehr kritisiert und angegriffen und ihnen ein starkes Streben nach Menschlichkeit entgegengesetzt. Für ihn waren der Kampf für Frauenrechte und die Befreiung von der Geißel des Rassismus kein Widerspruch.
Übersetzung: Jürgen Heiser