Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 131 - 7./8. Juni 2008
Der Wettkampf ums Weiße Haus wird sich ab sofort bis zum Wahltag im November zwischen den Kontrahenten der Demokraten und Republikaner, Barack Obama und John McCain, zuspitzen. In diesem Ränkespiel wird es den Machtgruppen der USA in ihren strategischen Überlegungen darum gehen, gezielt das Unterbewußtsein von Millionen Menschen zu manipulieren.
Politiker machen sich auf ihrem Weg zur Macht zu Hoffnungsträgern ihrer Wähler und zerschlagen letztendlich immer wieder die Erwartungen und Wünsche im Alltagsgeschäft realer Politik. Millionen Frauen waren erfüllt von der Hoffnung, es gäbe die erste wirkliche Chance, daß die USA künftig von einer Präsidentin regiert würden. Die Älteren unter ihnen träumten davon schon seit Jahrzehnten. In der afroamerikanischen Bevölkerung hat die Aussicht auf den ersten schwarzen US-Präsidenten Millionen Männer, Frauen und Kinder in Begeisterung versetzt.
Diese Chancen waren und sind für viele seit hundert Jahren ein Traum. Für die meisten Menschen blieb davon nicht viel übrig. Sie mußten erfahren, daß Politik die Kunst ist, Hoffnungen zu schüren, aber nicht zu erfüllen. Politiker versprechen die Reise zum Mond, am Ende speisen sie das Wahlvolk aber mit ein paar Krümeln Sternenstaub ab. Deshalb ist es nachvollziehbar, warum weite Teile der US-Bevölkerung politikverdrossen sind. Sie sind durch eine harte Schule gegangen, in der ihnen diese Spielart des Zynismus beigebracht wurde.
In den vergangenen Wochen wurden uns über die Medien auch die Stimmen derer präsentiert, die wir »die weiße Arbeiterklasse« nennen. Zum Beispiel Al und Evelyn Landsberg, ein Paar mittleren Alters. Er, zeit seines Lebens Mitglied der Republikanischen Partei, ist vor kurzem in die Demokratische Partei übergewechselt und wurde am 5. Mai 2008 in der Washington Post zitiert: Er werde seine Stimme Senatorin Hillary Rodham-Clinton geben, obwohl er nicht unbedingt begeistert von ihr sei. Clinton sei aber besser als ihr innerparteilicher Gegner. »Sie wissen schon, dieser, äh... Embowa. Der wird unser Land zugrunde richten«. Seine Frau Evelyn erklärte: »Soweit ich weiß, wird er [›Embowa‹?] sich als Präsident weigern, zu unserem Schwur auf Fahne und Nation zu stehen, und wir werden Irak überstürzt verlassen.« Und sie fügte noch hinzu: »Ich werd’ nicht untätig zu Hause herumsitzen und das zulassen!«
Vor wenigen Generationen wurde es den Schwarzen in den USA noch verwehrt, ein aktives Wahlrecht auszuüben. Als sie nach dem Gesetz rein theoretisch bereits wählen durften, mußten sie anfangs in Tests beweisen, daß sie auch lesen und schreiben konnten. Weiße hingegen hatten allein durch ihre Geburt schon immer ein »natürliches« Wahlrecht erworben, egal ob sie Analphabeten waren oder nicht und ob sie vielleicht vom politischen System nicht die Spur einer Ahnung haben.
Politik dient angeblich dazu, den vermeintlichen »Willen des Volkes« umzusetzen. In oft hochtrabend formulierten juristischen Entscheidungen und dick aufgetragenen wissenschaftlichen Texten wird sie gern als »gelebte Demokratie« bezeichnet – das Volk, so heißt es, wähle »seine« Regierung und entscheide sich damit nicht zuletzt auch immer wieder für den »American way of life«.
Aber wie viel Unwissenheit ist dabei im Spiel? Wie stark ist das Wählerverhalten von Rassismus bestimmt? Wie hoch ist der Anteil schlichter Dummheit? Und wie groß ist der Anteil der bürgerlichen Medien an diesem Verhalten, wenn wir wissen, daß die Medien genug Macht haben, ein totes Pferd öffentlich als starken Hengst vorzuführen? Wenn es zur Rolle der Medien im Kapitalismus gehört, unser Unwissen zu kultivieren, welche Bedeutung hat dann noch das große Wort »Demokratie«?
Die von den Medien verbreiteten politischen Einschätzungen sind das A und O des öffentlichen Bewußtseins, tatsächlich aber nur das ständig widerhallende Echo der gewollten Unwissenheit weiter Teile der Bevölkerung. Ein Klima, in dem Kriege unabwendbar werden, wenn Gerüchte nur oft genug wiederholt und unhinterfragt als wahr weiterverbreitet werden.
Übersetzung: Jürgen Heiser