Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 80 - 4./5. April 2009
US-Präsident Barack H. Obama befindet sich auf seiner ersten offiziellen Europareise, um am G-20-Gipfel in London und den Feiern in Baden-Baden und Strasbourg rund um »60 Jahre NATO« teilzunehmen. Seiner Person wird dabei besondere Beachtung geschenkt. Für Abermillionen Menschen in- und außerhalb der USA war und ist die Tatsache, daß ein Afroamerikaner Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden konnte, ein geschichtsträchtiger Moment von ganz besonderer Bedeutung. Ein Ereignis, das die Veränderung einer Nation suggeriert, die bis heute von der Geißel des Rassismus geplagt wird. Obama wurde damit zu einem Symbol für die Sehnsucht von Millionen, endlich den Rassismus zu überwinden. Eine Sehnsucht, die auch in der staunenden Begeisterung der Menschenmassen sichtbar wurde, die am Tag der Amtseinführung die Straßen der Hauptstadt Washington überfluteten.
Auch viele Menschen hinter den Gefängnismauern, denen die Teilnahme an Wahlen gesetzlich versagt ist, schauen hoffnungsvoll auf diese Entwicklung. Aber die Realität ist gerade für sie eine völlig andere. Stellvertretend sei hier berichtet, was Gefangene im Sonderbehandlungstrakt SMU (Special Management Unit) des Camp Hill Prisons im Bundesstaat Pennsylvania erleben mußten. Insbesondere sechs schwarze Gefangene unter ihnen werden sich an diesen Tag ganz anders erinnern. Unter wüsten rassistischen Beschimpfungen wurden sie von weißen Wärtern verprügelt, getreten und mit Elektroschockwaffen angegriffen. Nach Untersuchungen der in Pittsburgh arbeitenden Menschenrechtskoalition (Human Rights Coalition –HRC) führte das Anstaltspersonal am 20. Januar 2009 einen gezielten Angriff auf die Gefangenen aus, um an ihnen ein Exempel zu statuieren und damit eine Botschaft an alle schwarzen Gefangenen auszusenden: »Zum Teufel mit diesem historischen Tag, für uns seid und bleibt ihr ›nigger‹!«
In dem ausführlichen Bericht, den die Menschenrechtskoalition erst kürzlich der Presse übergab, dokumentiert sie die Mißhandlungen und Beschimpfungen, denen David Smith, Gary Tucker, Damont Hagan, Ronald Jackson, Willie Robinson und Jamar Perry ausgesetzt waren. Von diesen Männern waren einige sogar mit dem Tode bedroht worden, weil sie es in der Vergangenheit gewagt hatten, Mißhandlungen anzuzeigen und Anklagen gegen brutale Wärter zu erheben.
Am Morgen der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten machte ein hochrangiger Anstaltsbeamter nach Aussagen mehrerer Zeugen folgende Ansage über die Lautsprecheranlage des Gefängnisses: »Er [Obama] mag ja gewonnen haben, aber in meinen Augen ist er trotzdem ein ›nigger‹!« Der Beamte fuhr fort: »Heute sind Hofgang und Duschen gestrichen. Wir werden euch ›niggers‹ schon zeigen, wer das Kommando im SMU hat!«
Die traktierten Gefangenen wurden in Handschellen gelegt, ihnen wurde Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, dann mußten sie sich nackt ausziehen und wurden verprügelt. Das war der Racheakt dafür, daß sie von ihren vermeintlichen Verfassungsrechten Gebrauch gemacht und Klage vor einem US-Gericht erhoben hatten. Und das alles passierte an eben jenem Tag, an dem Barack H. Obama den Amtseid leistete und vor der Nation und der Welt verkündete, daß »wir nicht foltern«.
Übersetzung: Jürgen Heiser