Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 86 - 11./12. April 2009
Einer der Grundsätze der US-Verfassung besagt, daß jeder Angeklagte das Recht auf eine »Jury of his peers«, also Geschworene von seinesgleichen hat. 1986 hat der Oberste Gerichtshof der USA im Fall des Beschwerdeführers James Kirkland Batson gegen den US-Bundesstaat Kentucky dazu eine Grundsatzentscheidung gefällt, das sogenannte Batson-Urteil. In seinem Kern untersagt es dem Staat seitdem, schwarze Geschworene allein wegen ihrer Hautfarbe aus einer Jury auszuschließen. Mit diesem Urteil hob der Oberste Gerichtshof seine eigenen rechtlichen Grundsätze auf, wie sie 1965 im Fall Swain gegen den Bundesstaat Alabama festgeschrieben worden waren.
Der Afroamerikaner Robert Swain war vom Bezirksgericht in Talladega County, Alabama, wegen Vergewaltigung angeklagt und zum Tode verurteilt worden. Swain zog vor den Obersten Gerichtshof und nannte als Grund für seinen Berufungsantrag, daß in der Jury, die ihn verurteilte, kein einziger schwarzer Geschworener saß. Der Oberste Gerichtshof lehnte die Berufung ab und gab als Begründung an, von 100 möglichen Geschworenen seien acht schwarz gewesen, die Staatsanwaltschaft habe aber von ihrem Recht Gebrauch gemacht, sie ohne Angaben von Gründen abzulehnen. »Das allgemeine prozentuale Mißverhältnis war gering, und [das erkennende Gericht] vermag keinen absichtlichen Versuch zu erkennen, eine bestimmte Anzahl von Schwarzen ein- oder auszuschließen.«
Es dauerte über zwanzig Jahre, bis die juristische Festschreibung im Fall Swain, die eine systematische Diskriminierung schwarzer Jurykandidaten in vielen Gerichtsverfahren für rechtlich zulässig erklärte, durch das Batson-Urteil wieder aufgehoben wurde. Gerade in der letzten Zeit wird aber zunehmend erkennbar, daß das Batson-Urteil in seiner Auslegung eine bedrückende Ähnlichkeit aufweist mit seinem Vorgängerurteil im Fall Swain. Gerichte geben nur ungern Berufungsanträgen statt und setzen deshalb entweder selbst neues Recht oder ignorieren einfach gültige gesetzliche Bestimmungen.
Zahlreiche Entscheidungen jüngerer Zeit belegen das. Beispielsweise der Fall Commonwealth gegen (Robert) Cook vom 24. Juli 2008. In diesem Verfahren hat der Anklagevertreter 74 Prozent seiner zulässigen Einspruchsmöglichkeiten dazu genutzt, 14 schwarze Jurykandidaten abzulehnen. Das Staatsgericht von Philadelphia hatte zunächst entschieden, daß es sich hierbei nicht um einen Fall von Diskriminierung handele. Erst später erkannte das Gericht darauf, daß hier dem ersten Anschein nach doch ein Akt von Diskriminierung vorliege. Einen Verstoß gegen das Batson-Urteil wollten die Richter dennoch nicht sehen, da der Staatsanwalt ausreichende Gründe für den Ausschluß vorgebracht habe, die gegenüber der Hautfarbe der Kandidaten neutral gewesen seien. Der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias schloß sich dieser Meinung im Herbst 2008 an, obwohl sich der Staatsanwalt bei zwei schwarzen Geschworenen nicht einmal mehr daran erinnern konnte, warum er sie abgelehnt hatte. Anders gesagt: Er konnte dafür keine triftige Rechtfertigung vorbringen.
In diesem Zusammenhang sei noch einmal herausgestellt, daß im Batson-Urteil festgeschrieben ist, daß schon der ungerechtfertigte Ausschluß nur eines einzigen schwarzen Geschworenen einen Verfassungsverstoß darstellt. Von einem – nicht 14!
Aber jetzt kommt der Clou: Jack McMahon, nämlicher Staatsanwalt im Fall des Robert Cook, ist nicht irgendein Anklagevertreter, sondern er ist derjenige, der ein Schulungsvideo für seine Kollegen bei der Bezirksstaatsanwaltschaft von Philadelphia darüber gedreht hat, wie man das Batson-Urteil am besten umgehen und wie man Richter belügen kann. In diesem Video hat Staatsanwalt McMahon in eindringliche Worte gefaßt, was seine Kollegen tun müssen, um Verurteilungen zu erreichen. Ging es ihm und seiner Behörde dabei um faire und unparteiische Jurys? Originalton McMahon: »Das ist lächerlich. Es muß Ihnen darum gehen, genau das Gegenteil zu erreichen!« Laut McMahon muß jeder Anklagevertreter generell danach trachten, eine höchst »unfaire« Jury zusammenzustellen.
Mit dem Batson-Urteil wurden 1986 zwar hohe Ideale der Fairneß proklamiert, sie haben jedoch keinerlei Bezug zum realen Vollzug des Rechts, wie er sich tagtäglich in den Gerichtssälen der USA ereignet.
(Übersetzung: Jürgen Heiser)
* Nachtrag: Der Oberste Gerichtshof der USA hat am vergangenen Montag den Berufungsantrag Mumia Abu-Jamals abgelehnt und damit negiert, daß sein Todesurteil unter Verstoß gegen das Batson-Urteil zustande gekommen ist (siehe auch jW vom 8.4.2009).