Kolumne 18.04.09: Sehnsucht nach Freiheit

18.04.09 (von maj) Der Historiker John Hope Franklin hat als erster die Lügen über die Sklaverei in den USA ­wissenschaftlich widerlegt und die weißgewaschene Standardlehre in Frage gestellt

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 90 - 18./19. April 2009

Der Name John Hope Franklin ist Legende in Historikerkreisen jedweder Couleur. Zum Teil liegt das am Wirken Franklins als Präsident der American Historical Association (AHA), die 1884 von US-amerikanischen Wissenschaftlern gegründet wurde.
Wesentlich für seine Anerkennung als Historiker ist aber seine fruchtbare wissenschaftliche Arbeit auf dem weiten Feld der US-amerikanischen Geschichte, mit der er viele Lügen über die lange Zeit der Sklaverei in den USA korrigiert hat. Sein 1947 veröffentlichtes Werk »From Slavery to Freedom« ist ein Klassiker auf diesem Gebiet. Franklin hat darin auch Forschungsergebnisse des vier Jahre zuvor erschienenen bedeutenden Werkes »American Negro Slave Revolts« von Herbert Aptheker (1915–2003) berücksichtigt. Der marxistische Historiker Aptheker war Mitglied des Nationalkomitees der Kommunistischen Partei der USA.
Franklin setzte mit seinem Werk Meilensteine gegen die weißgewaschene Standardlehre der US-Geschichte, wie sie Generationen von Studierenden an den US-Universitäten eingetrichtert worden war. Daß sein Klassiker »From Slavery to Freedom« noch heute in Nachauflagen gedruckt wird, ist ein Zeichen für seine unveränderte Aktualität und historische Bedeutung.
Franklin wurde 1915 in Rentiesville, Oklahoma geboren und wuchs als Kind in eine Zeit hinein, in der es in Orten wie Tulsa, Oklahoma, 1921 zu rassistischen Pogromen gegen die afroamerikanische Bevölkerung kam, die vom Lynchen von Einzelpersonen bis zu massenhafter Gewalt gegen die schwarze Bevölkerung reichte. Tulsa war bis zu diesem Zeitpunkt ein Ort, in dem es die schwarzen Bewohner zu relativem Wohlstand und geschäftlichem Erfolg gebracht hatten. Die Presse sprach von »Rassenunruhen«, tatsächlich handelte es sich aber um gezielt geschürte Pogrome rassistischer Organisationen und staatlicher Institutionen.
Franklin absolvierte 1935 die Fisk University und erwarb 1941 die Doktorwürde in Geschichte an der Harvard University. Anfang der 1950er Jahre diente Franklin bei dem von Thurgood Marshall geführten Legal Defense Team der Bürgerrechtsorganisation NAACP. Er trug dazu bei, die Klage auszuarbeiten, die 1954 zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA führte, die gesetzliche Trennung von schwarzen und weißen Kindern an öffentlichen Schulen zu beenden.
Bis in die jüngste Zeit arbeitete John H. Franklin an seinem wissenschaftlichen Werk. Beachtenswert ist das 1999 mit seiner früheren Studentin Loren Schweninger gemeinsam herausgegebene Buch »Runaway Slaves: Rebels on the Plantation«. Trotz des finsteren Kapitels der US-Geschichte, mit dem sich Autor und Autorin auseinandersetzen, ist ihnen damit ein sowohl faszinierendes als auch überraschend leichtes und stellenweise sogar humorvolles Werk über viele bislang unbekannte Ereignisse der Geschichte des Sklavenwiderstandes gelungen.
Franklin und Schweninger gruben dazu tief in Archiven und stießen auf private Briefe der Sklavenhalter, in denen sie die Ereignisse der damaligen Zeit beschreiben. In einem vom 7. April 1829 datierten Brief des Plantagenbesitzers Joseph Bieller beschwert sich dieser beispielsweise bitterlich über die Praxis seiner Sklaven, seine Hausschweine zu »pendeln«. Bieller meinte damit, daß die Schweine mit Seilen an Bäumen hochzogen und dann so lange gegen den Baum gependelt wurden, bis sie starben. Was den Sklavenhalter so entsetzte, war die Tatsache, daß ein Teil seines Besitzes einen anderen Teil unbrauchbar machte. Franklin und Schweninger illustrierten anhand von Zeitungsanzeigen über entlaufene Sklaven, daß unter den Geflüchteten sowohl junge als auch alte waren, männliche und weibliche, Afrikaner, »Mischlinge«, Rebellen sowie brave Haussklaven und solche, die gut behandelt worden waren oder solche, die der brutalen Peitsche ihrer Sklavenherren entgehen wollten. Sie alle wollten nur eins – ihre Freiheit.
Das war sicherlich John Hope Franklins wichtigster Beitrag zur Geschichtsschreibung über afrikanische Sklaven und ihrer Nachfahren: die Dokumentierung ihres unstillbaren Freiheitsdurstes der letzten vierhundert Jahre.
John Hope Franklin starb am 25. März 2009 in Durham, North Carolina, im Alter von 94 Jahren.

Übersetzung: Jürgen Heiser


Ausdruck von: http://freedom-now.de/news/artikel499.html
Stand: 24.11.2024 um 00:55:50 Uhr