junge Welt Nr. 269 - 20. November 2009 / Von Jürgen Heiser
Die Bremische Bürgerschaft hat sich am Mittwoch mit Mumia Abu-Jamal solidarisiert. Der Journalist und Bürgerrechtler sitzt seit 1982 in den USA in der Todeszelle. Er wird beschuldigt, einen Polizisten erschossen zu haben. Beweise gibt es keine. Nun droht eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA über Leben und Tod des Afroamerikaners. Deshalb hat die Linksfraktion am 11. November einen Dringlichkeitsantrag »Solidarität mit Mumia Abu-Jamal« in der Bürgerschaft eingereicht. Die SPD-Grünen-Koalition hat die Initiative der Linken zur Grundlage genommen, um einen eigenen Antrag zu formulieren. Dieser spricht sich grundsätzlich gegen die Todesstrafe und für die »Unterstützung der bundesweiten Kampagne von Amnesty International zur Abwendung der Vollstreckung des Todesurteils an Mumia Abu-Jamal« aus. Um den Weg für eine parteiübergreifende Solidaritätsadresse freizumachen, nahm Die Linke ihren Antrag zugunsten des Koalitionsantrags zurück.
Durch das Insistieren von Monique Troedel, Fraktionsvorsitzende der Linken, nimmt der Antrag explizit Bezug auf Abu-Jamal: »Zu den Staaten, in denen weiterhin Todesstrafen ausgesprochen und vollstreckt werden, gehören auch demokratische Staaten wie Japan und die USA. So steht auch in dem Verfahren gegen den US-Amerikaner Mumia Abu-Jamal, das international Aufsehen erregte, aktuell wieder zu befürchten, daß die vor 27 Jahren ausgesprochene Todesstrafe nun vollstreckt werden könnte, obwohl der Verurteilte schwere Verfahrensfehler und einen Verstoß gegen das Menschenrecht auf ein faires Verfahren geltend macht.« Der von SPD, Grünen und Die Linke unterzeichnete Antrag (siehe unten) wurde nach einstündiger Debatte fraktionsübergreifend angenommen.
Im Anschluß an die Landtagssitzung fand um 18 Uhr vor dem Bürgerschaftsgebäude eine Kundgebung für Mumia Abu-Jamal und die weltweite Abschaffung der Todesstrafe statt. Neben Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) hatten auch Amnesty International, die Amnesty-Schülergruppen der Gymnasien Hermann-Böse und Kippenberg sowie das Bremer Free-Mumia-Bündnis zu der Aktion aufgerufen. Es sei gut, daß sich alle Fraktionen der Hansestadt so deutlich gegen die Todesstrafe ausgesprochen hätten, sagte Böhrnsen vor den Versammelten. »Kein Staat dieser Welt hat das Recht, Menschen das Leben zu nehmen. Die Todesstrafe ist barbarisch«, so der SPD-Politiker. Bremen habe sich dem Bündnis »Städte für das Leben – Städte gegen die Todesstrafe« angeschlossen, in dem seit 2001 über 80 deutsche Kommunen mitmachen. Weltweit sind es mehr als 700.
Ariane Müller, Sprecherin des Bremer Free-Mumia-Bündnisses, erklärte am Donnerstag gegenüber junge Welt, es sei schade, daß sich der Antrag nur auf die Unterstützung Amnesty Internationals beziehe und damit die Solidaritätsarbeit, die Komitees und Bündnisse in zahlreichen Städten für Mumia Abu-Jamal leisteten, unerwähnt bleibe. »Wir sehen darin aber auch eine Aufforderung an Amnesty International, sich noch stärker zu engagieren und mit der international wachsenden Solidaritätsbewegung den drohenden Justizmord gemeinsam zu verhindern.«
Am heutigen Freitag wird auch der Stadrat in Nürnberg über einen Dringlichkeitsantrag der Linkspartei in Solidarität mit Mumia Abu-Jamal beraten.
»Wir schließen uns der weltweiten Solidaritätskampagne an und fordern ein neues, faires Gerichtsverfahren für Mumia Abu-Jamal«, heißt es darin.
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Aktueller Nachtrag:
Weitere Erfolge der regionalen Solibewegung zeichnen sich ab:
+ Am 19.11.2009 hat der Fürther Stadtrat mit überwältigender Mehrheit eine Resolution veranschiedet, die das Wiederaufnahmeverfahren fordert.
+ Am 20.11.2009 wird ein ähnlicher Antrag der Stadträtin Eylim Günn in Nürnberg beraten. Die Tatsache, daß Oberbürgermeister Maly ihn ohne Widerspruch auf die Tagesordnung setzte, läßt hoffen, daß es auch in Nürnberg breite Zustimmung geben wird.
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Der Antrag an die Bremische Bürgerschaft im Wortlaut:
Dringlichkeitsantrag »Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe und ihrer Vollstreckung«
Am 30. November jährt sich der Aktionstag „Städte für das Leben – Städte gegen die Todesstrafe“.
Auch wenn die Zahl der Staaten steigt, die die Todesstrafe abgeschafft haben, registriert Amnesty International eine steigende Anzahl von Hinrichtungen in den vergangenen Jahren. Hiernach wurden allein im Jahr 2008 mindestens 2.390 Menschen hingerichtet und mindestens 8.864 – und damit mehr als doppelt so viele Menschen wie im Jahr 2007 – zum Tode verurteilt. Mehr als 20.000 Menschen sitzen derzeit weltweit in sogenannten Todestrakten.
Zu den Staaten, in denen weiterhin Todesstrafen ausgesprochen und vollstreckt werden, gehören auch demokratische Staaten wie Japan und die USA.
So steht auch in dem Verfahren gegen den US-Amerikaner Mumia Abu-Jamal, das international Aufsehen erregte, aktuell wieder zu befürchten, dass die vor 27 Jahren ausgesprochene Todesstrafe nun vollstreckt werden könnte, obwohl der Verurteilte schwere Verfahrensfehler und einen Verstoß gegen das Menschenrecht auf ein faires Verfahren geltend macht.
Die Bremische Bürgerschaft ist zutiefst davon überzeugt, dass die Todesstrafe die Würde des Menschen verletzt und ihre Verhängung und Vollstreckung keine für einen Rechtsstaat zu akzeptierende Strafe darstellt und dass jeder Beschuldigte das Recht auf ein faires Verfahren hat.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
1. Die Bürgerschaft (Landtag) begrüßt, dass der Senat sich, wie auch bereits im vergangenen Jahr am heutigen Abend mit einer Aktion an der Initiative„Städte für das Leben – Städte gegen die Todesstrafe“ beteiligt.
2. Die Bürgerschaft (Landtag) bittet den Senat, sich auch darüber hinaus weiterhin für die Abschaffung der Todesstrafe, für die Verhinderung ihrer Vollstreckung und für das Recht auf ein faires Verfahren einzusetzen.
3. Die Bürgerschaft (Landtag) unterstützt die bundesweite Kampagne von Amnesty International zur Abwendung der Vollstreckung des Todesurteils an Mumia Abu-Jamal.
Ulrike Hiller, Thomas Ehmke, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD
Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Monique Troedel, Peter Erlanson und Fraktion DIE LINKE