Aus dem Mitschnitt der Rede von Robert R. Bryan, Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal, am 9. Januar 2010 auf der XV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin
Ich wurde gebeten, ein paar Worte zum aktuellen Stand des Verfahrens zu sagen.
Wir befinden uns an einer Wegscheide. Wenn wir verlieren, wird Mumia innerhalb eines Jahres tot sein. Wenn wir gewinnen, wird es zur Frage Leben oder Tod einen neuen Juryprozeß geben.
Unser Fall befindet sich jetzt vor dem Obersten Gerichtshof der USA.
Bezüglich der Todesstrafe haben wir vor einem niedrigeren Bundesgericht, dem Bundesberufungsgericht in Philadelphia, Erfolg gehabt. Die Staatsanwaltschaft hat dagegen aber Berufung beim Obersten Gerichtshof eingelegt. Deshalb wurde diese Entscheidung nicht rechtskräftig.
In Zeitungsartikels sowohl hier als auch in den Vereinigten Staaten und anderswo lese ich, daß Mumia Todesstrafe »wiedereingesetzt« werden könnte. Das ist nicht richtig. Mumia ist immer noch im Todestrakt, er ist immer noch zum Tode verurteilt. Und er IST immer noch im Todestrakt und immer noch zum Tode verurteilt, weil die Staatsanwaltschaft, der Staat, gegen unseren Sieg in Berufung gegangen ist. Sie [die Entscheidung des Bundesberufungsgerichts vom 28. März 2008, daß eine neue Jury über das Strafmaß lebenslange Haft oder Todesstrafe entscheiden sollte] ist niemals rechtkräftig geworden.
Deshalb sitzt er bis heute im Todestrakt in dieser kleinen Zelle und schreibt weiter an diesem schwach beleuchteten gotteserbärmlichen Ort.
Wir rechnen jeden Tag mit einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Wir wissen, daß das Gericht am Montag [11. Januar 2010] seine ersten Entscheidungen bekanntgeben wird, nachdem es Mitte Dezember in die Weihnachtspause gegangen war.
Es könnte schon am Montag eine Entscheidung des Gerichts geben, es könnte aber auch erst nächste Woche oder in der Woche danach sein. Sie wird aber bald kommen.
Noch einmal: es geht in Mumias Fall jetzt darum, ob er leben oder sterben wird, und wenn das Gerichts gegen uns entscheidet, dann haben wir, hat mein Mandant ein sehr ernstes Problem.
[Die komplette Rede von RA Bryan erscheint am 27. Januar 2010 in der junge-Welt-Beilage zur Rosa-Luxemburg-Konferenz und in der Dokumentationsbroschüre über die Konferenz im März 2010 / Übersetzung: J. Heiser]
Englischer Originaltext:
From the recorded speech of Robert R. Bryan, lead counsel of Mumia Abu-Jamal, on January 9th, 2010 at the XV. International Rosa Luxemburg Conference in Berlin
I was asked to say a few words where we are in the legal system.
We are at a crossroad. If we lose, Mumia will be dead in a year. If we win, we’ll have a new jury trial on the issue of life or death.
Our case is in the U. S. Supreme Court.
We won on the issue of the death penalty in a lower federal court, the U.S. Court of Appeals in Philadelphia. The prosecution than went to the Supreme Court. So that ruling took no effect.
And I keep reading in newspapers both here and in the United States and elsewhere that Mumia’s death penalty could be »reinstated«. That’s not true. Mumia is still on death row, he’s still under the sentence of death. And he IS still on death row and under the sentence of death because the prosecution, the state, appealed our victory. So it never took affect.
So he sits on death row in that small cell today continuing to write in that dimly lit god-awful place.
We expect a decision from the U.S. Supreme Court any day. We know the court’s coming down with its first rulings on Monday [January 11, 2010] ‘cause he went on the Christmas recess in mid-December.
We could get a ruling on Monday or it could be the next week or the week afterwards. It’s coming very soon.
Again: the issue in the case is whether or not he lives or dies and if the court rules against us, we are in, my client is in very serious trouble.